Maisernte in den Dörfern

Am letzten Mittwoch im September standen wir dem Dorf-Rhythmus nach morgens früh auf und hatten die einmalige Möglichkeit Nazaria auf die Milpa (Mais-Mischanbau-Felder) der Familie zu begleiten. Die Milpa befindet sich auf der anderen Seite des großen Rio Wawa und bereits im Regenwald. Wir begleiteten Nazaria zunächst zum Reisfeld, welches sind vor dem Fluss befand. Dort zeigte sie uns, wie der Reis geerntet wird. Reis, der ähnlich wie Korn aussieht, wird in ganzen Sträußen mit der Machete abgeschnitten und anschließend auf einem Holzbrett ausgeschlagen. Anschließend muss der Reis getrocknet und aus der Hülse gestampft werden. In der kommende Woche beginnt die richtige Reisernte.

1-Reis

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Anschließend zogen wir weiter zum Fluss, dort hatte sich einmal Butku befunden, doch aufgrund der Klimaveränderung und der damit einhergehenden erhöhten Gefahr von Überflutungen und Erdrutschen ist das Dorf weiter hoch gezogen, weg vom tropischen Fluss in den Pinienwald. Hier am Fluss ernteten wir Kochbananen.

4-Banane

Anschließend ging es in einer traditionellen Lancha (Einbaum) über den Rio Wawa und einen Nebenfluss tiefer in den Regenwald hinein und zu einer weiteren Milpa. Die Milpa befand sich mitten Wald, wir bahnten uns den Weg mit der Machete, dem einzigen Hilfsmittel bei der Ernte (und alltäglichen Arbeiten im Haushalt). Auf der Milpa ernteten wir gemeinsam mit Nazaria und einem weiteren Mískito den Mais, der sich zwischen Yucca (Maniok), Platano-Palmen (Kochbananen) und vereinzeltem gelben Reis befand. Es war ein sehr heißer Tag mit hoher Luftfeuchtigkeit, doch aufgrund der viele Mücken und beißenden und stechenden Insekten mussten wir voll eingekleidet und aufgrund des Schlamms in Gummistiefeln ausharren. Wir waren wirklich klitschnass und völlig eingesaut und unsere Gallone Wasser war schnell geleert.

5-Mais

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Nach drei Stunden Feldarbeit in der Mittagssonne ging es wieder auf die Lancha und über den kleinen Fluss. Im Schatten unter einem Baum versuchten wir uns im Fische fangen, doch in der Mittagshitze hatten wir leider kein Glück, es waren trotzdem schöne und idyllische 30 Minuten.

12-fischen

Wieder am Ufer liefen wir zu zweit wieder Richtung Butku, Nazaria fuhr noch zu einer weiteren Mipla. Wir zwei nahmen rund 30kg Mais und paar Kg Reis mit und versicherten Nazaria, dass wir den Weg zum Haus alleine finden würden. Am ersten Haus dem wir begegneten kam ein kleffender Köter auf uns zu gerannt. Wir beide haben bereits schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht, weshalb wir umkehrten und eine Alternativroute suchen wollten. Das war jedoch ein Fehler, denn wir verliefen uns erst einmal im Wald von Buktu, mit insgesamt rund 40 Kg Korn und in der prallen Sonne. Doch nach rund 30 Minuten half uns ein alter Mískito, der zum Glück etwas spanisch sprach, wieder auf den richtigen Weg. Bei Ocampos angekommen belohnten wir uns erst einmal mit einem Bad im Fluss.

 

Erzählungen vom Hurrikan Felix 2007

Vergangenen Dienstag fuhren wir zu viert nach Santa Marta, um an einem Workshop der christlichen Entwicklungsorganisation „Palabra y Hecho“ (Word and Deed) zum Thema Agrarwitschaft teilzunehmen. Der Workshop war für uns spannend, da wir viele Hintergrundinformationen über die Dörfer und die Region erhielten. Die Diskussionen ud Beiträge fanden überwiegend auf Mískito statt, doch es wurde uns übersetzt. Am Mittag bekamen wir sogar ein Mittagessen, wie so üblich bei Workshops und öffentlichen Veranstaltungen. Anschließend liefen wir mit Nazaria, unserer Gastmutter in den Gemeinden, nach Butku. Wir pausierten in der Mittagshitze unter einer Palme und die spannende Frau erzählte uns vom Hurrikan Felix, dessen Augen 2007 den Bloque SIPBAA nachhaltig trief und von denen sich die Dörfer und vor allem die Landschaft bis heute nicht erholen konnte.

Kurz bevor der Hurrikan der kategorie 5 Nicaragua erreichte, wurde in Comunidades das „Radio Comunicación“ eingeführt, ein Funkradio welches zur Verständigung zwischen den Comunidades genutzt wurde. Das Radio dient hier als eine wichtige Informations- und Kommunikationsquelle, besonders in den Gemeinden ohne Strom-, Internet- oder Handynetze. Beispielsweise werden Nachrichten an die Familie oder Freunde oder auch Geschäftsmitteilungen über das Radio weitergetragen, da viele Menschen auch nicht Lesen oder Schreiben können uns die Post nur die Stadt Puerto Cabezas erreicht. Die Schulung zur Benutzung des Funkradios wurde eine Woche vor dem Hurrikan abgeschlossen, die Anlage steht bei unserer Gastfamilie im Haus. Acht Tage bevor der Hurrikan Felix ankam, gab es die erste Meldung in den Comunidades. Viele Hurrikan (unter anderem Hurrikan Katrina) fielen jedoch schwächer für die Region aus als prognostiziert, so dass die Menschen die Warnungen nicht ernst nahmen. Am Abend vor dem Hurrikan kam dann die Meldung, dass das Auge des Hurrikan genau auf den Bloque SIPBAA treffen würde und die Menschen hatten knapp 12 Stunden Zeit sich zu evakuieren. Manche, die Zugang zu Transportmitteln hatten, fuhren noch nach Puerto. Doch viele Menschen blieben auf der Strecke aufgrund von Bäumen stecken. Der Hurrikan erreichte den Bloque SIPBAA um 10 Uhr morgens. Die großen Bäume (von ihnen steht heutzutage kein einziger mehr) waren innerhalb Minuten dem Boden gleich gemacht. Die Bambus-Häuser flogen wie Streichhölzer davon.  Der Wind schaffte es sogar die Kühe durch die Luft zu katapultieren. Die Menschen retteten sich in die Dorfschulen oder in die Kirchen, die einzigen Betonhäuser in den Dörfern. Das Dach der Grundschule in Butku flog davon und der Regen ließ das Wasser in dem Haus innerhalb von wenigen Minuten auf rund 1 Meter Höhe steigen. In Butku überlebten alle den Hurrikan, in den Nachbardörfer starben jedoch einige Menschen. Ein Blechdach beispielsweise fiel herab und durchtrennte eine Vierköpfige Familie auf Bauchhöhe. Weitere Menschen kamen durch Bäume oder herum fliegende Gegenstände ums Leben. Der Hurrikan hinterließ den Menschen in den Comunidades kaum etwas. Es gab keine Wohnhäuser mehr, kein Essen mehr, die Kleider waren kaputt und die Fruchtbäume und die Landwirtschaft wurden zerstört. Zu dieser Zeit gab es zudem noch keine befestigte Straße in die Comunidades, sie wurde erst im Anschluss errichtet und somit war die Nothilfe über den Fluss und die bestehende kaum befahrbare Straße mühsam. Viele Menschen sahen keine Perspektive mehr für sich und nahmen sich das Leben. Eine Alleinerziehende Mutter Butkus wusste sich nicht mehr zu helfen und vergiftete sich und ihre drei kleinen Kinder.

Es war das erste Mal, dass uns vom Hurrikan erzählt wurde. Wir vermögen es nicht die Menschen darauf anzusprechen, da viele Menschen traumatisiert sind und wir daher sehr vorsichtig bei dieser Thematik sein müssen. Derzeit ist wieder Hurrikan Saison (August bis Oktober) und die Menschen sind sichtlich angespannt bei jedem stärkeren Unwetter.

degradierter Wald Kirche_Sangnilaya

Sexismo y Machismo

Ein Thema mit dem wir uns hier täglich auseinandersetzen müssen ist der Sexismus und der „Machismo“ (das Wörterbuch übersetzt es mit „übertriebenem Männlichkeitskult“) in der lateinamerikanischen und speziell nicaraguanischen Gesellschaft. Von aufdringlichen Anmachen bis hin zu Erniedrigungen sind weit verbreitet in der nicaraguanischen Gesellschaft. Es wird nicht nur geschaut, nein es wird geglotzt, gepfiffen, gezischt wie „tzzz tzzz“ (als wären wir Tiere) und Sprüche geklopft. Nein, nicht nur Männer sondern schon geschätzt 12-Jährige meinen uns (wir sind 25 und 28!) anmachen zu müssen. Da kommen Sprüche wie „llevarme“ (Nimm mich mit), „chelita linda“ (süße „weiße“), „adios mi amor“ (Tschüss meine Liebe), „hola amor“ (hallo Liebe“), „Goodbye, I love you“, Goodbye Baby“. Manchmal fassen sie uns sogar an, meist nur am Arm. Doch das überschreitet unsere Grenze wirklich!

Neben psychischer Gewalt ist auch physische Gewalt in Nicaragua präsent, so werden Frauen häufig geschlagen oder auch vergewaltigt. Besonders der hohe Alkohol- und Drogenkonsum seitens der Männer führt zu häuslicher Gewalt. Angeblich konsumieren in Puerto Cabezas, nicht aber in ganz Nicaragua, rund 70% der Männer Drogen, sowohl das hier sehr erschwingliche Marihuana, also auch Kokain und die weiteren Drogen, die Nicaragua auf ihrem Weg von Südamerika (Kolumbien, Peru) in die USA passieren.

Ein weiteres Produkt der machistischen und sexistischen Gesellschaft ist es, dass es Frauen nicht erlaubt ist abzutreiben. Frauen dürfen seit 2006 auch dann nicht mehr abtreiben, wenn ihr eigenes Leben in Gefahr ist oder sie vergewaltigt wurde. Vor kurzem erst kursierte in den internationalen Medien, dass eine Frau grausam daran starb, weil sie eine Erbkrankheit hatte und nicht abtreiben durfte. Es geht zum einen auf den Machismo und das Unverständnis des weiblichen Bedürfnisses selbst über den eigenen Körper bestimmen zu dürfen zurück, aber zum anderen auch auf die starke katholische Kirche in Nicaragua, der mit diesem Gesetz ein Zugeständnis während der sandinistischen Revolution gemacht wurde. Die  Situation der Frauen hat sich unter Daniel Ortega, dem Präsidenten der sandinistischen Partei noch verschlechtert. Besonders Frauenorganisationen aber auch andere soziale Bewegungen sind vermehrt Repressionen ausgesetzt und werden in ihrer Arbeit behindert. Dem Ziel von Machterhalt und -ausbau opfert die FSLN-Führung indes viele ihrer einstigen Ideale der sandinistischen Revolution der 1970er Jahren.

In der nicaraguanischen Gesellschaft herrscht beispielsweise auch noch die Vorstellung, dass die Vergewaltigung eine eigene Sünde der Frauen wäre und indem sie ihren Missbrauch verzeihen, könnten sie sich von den Folgen befreien. Somit zeigen die Frauen in den wenigsten Fällen die Vergewaltigungen an und machen die Folgen mit sich alleine aus. Gewalt wird als ein persönliches Problem angesehen, anstatt einem gesellschaftlichen beziehungsweise strukturellen Problem.

Frauen sehen auch nicht, dass sie von ihren Rechten Gebrauch machen können, da sie sich meistens dem Mann unterstellt sehen. Besonders im ländlichen Raum sieht man Vergewaltigungen als „Gott-gewollt“ und „natürlich“ an. Häufig werden die jungen vergewaltigen Mädchen mit ihren Vergewaltigern verheiratet, um den Missbrauch in der Gesellschaft zu vertuschen – was eine Qual für die Frau und auch die Kinder!

Auch Morde an Frauen (Feminizide) sind in Nicaragua, wie in ganz Mittelamerika sehr hoch und kaum bestraft. Die hohe Anzahl an (unaufgeklärten) Frauenmorden in Nicaragua werden vor allem durch Familienangehörige durchgeführt. Sie verdeutlichen die Beziehungen von Macht und Unterordnung. Die traditionelle Rollenbilder sind in Nicaragua noch tief verankert, Frauen haben nichts zu sagen in der Familie, sondern sind nur für das Haus und die Kinder zuständig. Sie besitzen keine Entscheidungsgewalt. Die Zahl der Frauenmorde ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen, auch wenn diese in El Salvador, Mexiko und vor allem Honduras noch höher liegen. Die Morde werden häufig aus Rache verübt oder um die Ehre des Mannes wieder herzustellen. Faktoren die die Frauenmorde beeinflussen sind somit auch der Machismo, das absolute Abtreibungsverbot sowie mangelnde Bildung sind Faktoren.

Aber nicht nur Frauen, sondern auch Kinder sind dieser psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt. Eine Frau im Taxi schimpfte letztens mit ihrem Kind mit den Worten „hör auf oder ich schlage dich“. Und Julia und ich erschraken sehr, als auch Carmen es ganz selbstverständlich verteidigte, dass Kinder geschlagen werden müssten, damit sie gehorchen… im gleichen Atemzug jedoch sprach sie über ihre schlechten Erfahrungen mit Männern, denn viele Frauen – in Bilwi und den Comunidades fiel es uns schon deutlich auf – werden von ihren Männern verlassen und mit den Kindern alleine gelassen. Statistisch gesehen wurden ein Drittel der Frauen in Nicaragua von ihrem Mann verlassen und erziehen die Kinder alleine. Das ist sowohl auf den Machismo zurückzuführen, da die Männer die Frauen nicht schätzen und ihre Verantwortung für die  eigenen Kinder nicht sehen. Aber es ist auch auf die Arbeitsmigration zurückzuführen. So wie viele nicaraguanische Frauen eine Flucht aus der extremen Armut darin sehen als Hausmädchen oder „Nica“ in Costa Rica zu arbeiten, so ziehen die Männer ebenfalls überwiegend nach Costa Rica auf die Kaffee- und Zuckerrohrplantagen oder arbeiten auf dem Bau. Viele Menschen versuchen ebenfalls ihr Glück mit einer Migration in die USA, von den grausamen Geschichten der Flucht durch Mexiko werdet ihr alle schon einmal gehört haben. Für alleine Zurückgebliebene ist es nicht nur ein psychisches Problem, sondern eine große finanzielle Belastung, besonders für die alleinerziehenden Mütter. 70% der nicaraguanischen Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze.

Quellen:

„Sexueller Missbrauch ist ein Missbrauch von Macht“, Lateinamerika Nachrichten, Ausgabe 463 – Januar 2013;

„Unsichtbare Gewalt – Frauenmorde ohne strafrechtliche Konsequenzen“, Lateinamerika Nachrichten, Ausgabe 426 – Dezember 2009

Die Zeit rennt: Bilwi – Wahl – Workshop – Heimatpost – Zuwachs

Als wir am Freitag aus Waspám wieder kamen, wartete viel Arbeit auf uns. Wir mussten den Workshop für den Mittwoch den 11.September vorbereiten. Inzwischen sind wir ja darin geübt, Workshops vorzubereiten, diesmal hoffentlich auch mit Erfolg. Samstag Abend ging Julia wieder mit Germán tanzen, da ich nicht das fünfte Rad am Wagen sein wollte verbrachte ich den Abend mit etwas Sport zuhause. Da Joggen und Radfahren und insgesamt draußen Sport leider nicht möglich ist (außer dass wir hier weite und viele Strecken zu Fuß zurücklegen), müssen wir uns mit Circuit im Haus zufrieden geben. Sonntag nutzten wir zudem die Sonne, um zum Strand zu laufen. Wir hatten nur unsere Bikinis und „Badebekleidung für drüber“ an und liefen mit leeren Taschen die 45 Minuten zu Strand. Dort waren wir dann zum ersten Mal richtig schwimmen. Das Wasser war fast Badewannen-warm und leider auch nicht ganz klar. Und ständig kamen Männer angeschwommen und am Strand zu uns, um uns anzupfeifen und anzumachen und natürlich anzuglotzen. Daher hielten wir uns meistens in der Nähe von anderen Frauen und Familien auf, bei denen wir auch unsere Schuhe deponierten. Ansonsten befinden sich nämlich überwiegend Fußball-spielende Jugendliche aus dem Barrio „Libertad“ am Strand. Der Stadtviertel ist einer der ärmsten und gefährlichsten der Stadt, dort leben viele Langustenfischer und Menschen, die in den Drogenhandel involviert sind. Zudem gibt es einen Bandenkrieg mit dem Barrio „19 de Julio“, das ebenfalls am Meer liegt. Dort gibt es Nachts auch häufig bewaffnete Konflikte. Ein Grund, weshalb wir den Strand nur am Sonntag besuchen, wenn auch Familien aus der ganzen Stadt sich dort aufhalten.

Sonntag begannen zudem bei mir Halsschmerzen und Kraftlosigkeit und am Montag wachte ich mit etwas Fieber auf. Aus Sicherheitsgründen fuhren wir in die Stadt zum Arzt. Dort wurde ich auch gewogen und ich wiege mit 50kg tatsächlich 4-5kg weniger als noch zu meiner Ankunft. Naja, war zu erwarten. Der Arzt diagnostizierte eine leichte Grippe und verschrieb mir Antibiotika, Anti-Grippe-Medikemnte, Schmerzmittel und Vitamine. Total übertrieben. Er scheint uns Europäerinnen immer gleich viel mehr verschreiben zu wollen als nötig, damit wir beruhigt sind. Da ich mich aber wirklich nicht nach Grippe, sondern einfach nur nach Erkältung und Bronchitis fühlte (die ich durch mein Asthma wirklich genau kenne und häufig habe), nahm ich weder Antibiotikum noch Schmerzmittel. Zudem verläuft die Bronchitis hier bei dem feucht-heißen Klima viel besser als in der trockenen Luft Deutschlands. Einmal in der Stadt schaute ich gleich bei der Post vorbei und tatsächlich waren meine Briefwahl-Unterlagen eingetroffen. Ich nahm die Unterlagen mit zum Arzt, um sie entspannt auszufüllen. Anschließend war die Post leider zu (wahrscheinlich ausgedehnte Mittagspause) und ich musste mich bis Dienstag gedulden um den Brief abzuschicken. Es verblieben weniger als zwei Wochen bis zur Wahl und die Frau auf dem Postamt meinte, der Brief könne bis zu 20 Tage unterwegs sein… Dennoch habe ich ihn abgeschickt, auch wenn meine Stimme eventuell nicht mehr zählen wird. So ein scheiß! Warum kann sich ein Land wie Deutschland im 21.Jahrhundert und im Zeitalter des Internets nicht ein System überlegen, in dem wirklich alle Deutschen die Möglichkeit haben zu wählen? Julias Brief aus Berlin ist noch nicht einmal eingetroffen. Dabei haben wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Briefwahlunterlagen eingefordert. Somit verlassen wir uns darauf, dass alle Freunde und Freundinnen in Deutschland ihre Stimme wahrnehmen und damit zu einem dringend notwendigen Regierungswechsel beitragen!!!

1-Wahl

 

Am Dienstag fuhren wir dann wieder in die Comunidades, denn am Mittwoch fand der Workshop statt. Er lief zunächst gut, als wir mit den Teilnehmenden die umgesetzten Projekte und Vergangenheit der Kooperative auswerteten und die gegenwärtige Situation der Kooperative analysierten. Anschließend wollten wir im Hinblick auf eine Strategieplanung sowie eine Kommunikationsstrategie Zukunfts-Strategien und Handlungsmaßnahmen erarbeiten. Unsere Rolle sahen wir in der Moderation und Unterstützung. Die Experten der Themen sind die Mitglieder der Kooperative. Zudem  wollten wir als „Weiße“ keine (post-)kolonialen Strukturen aufbauen oder stärken durch Bevormundung und eurozentrische Vorgehensweisen. Daher haben wir uns davor gehütet Vorschläge zu machen. Wir kennen nicht den komplexen Kontext und haben eine andere Perspektive auf die Thematiken. Doch die Mitglieder sahen uns genau als diese „Consulters“ an, die wir nicht darstellen wollen. Sie wollten von uns Lösungen für ihre Probleme hören, die wir ihnen nicht geben wollten oder konnten. Damit hörte der Workshop in einer komischen Stimmung auf. Und auch ein wirkliches Feedback bekamen wir nicht. Die Mitglieder einigten sich zunächst darauf, dass sie sich in einer Versammlung zunächst darüber klar werden müssen, welche Mitglieder eigentlich noch aktiv und und welche keine Motivation und kein Interesse an der Arbeit der Kooperative mehr haben, bevor sie sich über ihre Zukunft Gedanken machen können. Aus zeitlichen Gründen erreichten wir nicht mehr die weiteren Themen des Workshops. Frustriert und ohne eine Rückmeldung und ohne eine hilfreiche Unterstützung von Mateo ging der Tag zu ende.

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Am Donnerstag am Vormittag gingen wir gemeinsam mit Mateo in das eine Stunde Fußweg entfernte Sangnilaya. Dort sollten wir ein Gespräch mit zwei Lehrern der örtlichen Grundschule führen und das ASA-Projekt der zwei weiteren Asat_Innen Sarah und Maxi vorbereiten, die Samstag in Puerto eintreffen werden.

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Freitag den 13. nahmen wir wieder den 6-Uhr Bus zurück nach Puerto. Die Busfahrt begann damit, dass sich einige Männer in der Bank neben mir anfingen zu prügeln, soweit es mein „fließendes“ Mískito zuließ ging es um eine Tasche, Geld und die Polizei… Zum Glück beruhigte sich die Situation bald wieder. Zuhause angekommen stellte ich erschrocken fest, dass sowohl meine kleine DigiCam als auch mein Handy nicht mehr in meinem Handgepäck waren. Ich war mir sicher, dass es mir geklaut worden sein muss und ich die Sachen nicht wiederbekommen würde. Doch sicherheitshalber gingen wir Mittags wieder zum Bus, bevor er wieder zurück in die Comunidades fuhr. Ich fragte den Busfahrer und tatsächlich, der Gepäckjunge hatte die Sachen gefunden. Zum Dank schenkte ich ihm eine Kola, ich wusste nicht anders zu danken. Geld geben fand ich eine unangebrachte Geste. Merkwürdigerweise war das Handy voll aufgeladen und alle Nachrichten gelöscht sowie die Toneinstellungen geändert. Mein Telefonbuch war jedoch noch da… also hatte er anscheinend doch gehofft, dass niemand mehr nachfragt. Zudem trafen wir am Bus noch den Socio Paulo aus Butku, der im Workshop eine sehr kontroverse Meinung geäußert hatte und als Mestize in den Mískito-Comunidades häufig kein Gehör bekommt. Wir verabredeten uns mit ihm für die kommende Woche in Butku und zu einem Interview. Die Thematik des Rassismus in der Kooperative möchten wir näher beleuchten.

Am Mittag hatten wir zudem noch Mískito-Stunde und lernten endlich die Verben, nun können wir endlich ganze Sätze sprechen und kleine Unterhaltungen führen. Als ich zufällig nochmal bei der Post vorbei schaute war sogar ein Paket für mich angekommen von meinen Eltern, gefüllt mit T-Shirts, Mückenschutz und HARIBO. Ich freute mich sehr darüber. Am Abend gingen wir wieder zu Wachis und aßen die ganz wunderbare Pizza. Somit wurde aus dem zunächst Unglückstag doch noch ein sehr toller Tag.

Ab Samstag änderte sich für uns vieles. Zum einen waren das ganze Wochenende Unabhängigkeitsfeiern (14.-15.September), so dass alle Geschäfte (außer kleine Tiendas) geschlossen waren und überall Tanzgruppen auftraten. Es war jedoch mal wieder unspektakulärer als erhofft. Am Nachmittag holten wir Maxi und Sarah am Flughafen ab, die zwei werden ebenfalls ihr ASA-Projekt im Bloque SIPBAA absolvieren. Ursprünglich sollten von der Kooperative aus Umweltbildung betreiben. Doch aufgrund der aktuellen Lage der Kooperative ist ihr Projekt jetzt ausschließlich an die Grundschule angeschlossen, was sich schwieriger darstellt als erwartet. Jetzt zu viert wird der Raum im kleinen Haus zwar manchmal sehr eng, doch es eröffnen sich uns auch andere Möglichkeiten. Gleich am Abend zogen wir in die Stadt, da der nicaraguanische Reggaeton  und Dancehall-Interpret „Mr. Vegas“ im Stadion im Barrio „La Libertad“ auftrat. Doch die 300 Cordoba (rund 10€, der Verdienst mehrerer Tage für die Menschen hier) war uns zu teuer, so setzten wir uns mit einem Bierchen davor und lauschten nur. Anfangs war es eine schöne Stimmung, denn viele junge Menschen hörten der Musik von draußen zu. Doch gegen halb 8 kippte die Stimmung, als eine Gruppe (vermutlich des Barrios „19 de Julio“) anfing mit Steinen zu werfen und eine chaotische Lage in der Menschengruppe auf dem Vorplatz entstand. Die Polizei schritt gewaltvoll ein und nahm von jeder Gruppe 3 Personen mit, die anderen tauchten in der Menge unter. Wir nutzten den Moment und fuhren mit dem Taxi nach Hause. Im Nachhinein erfuhren wir, dass es die richtige Entscheidung war, denn es wurden wohl noch einige Menschen beklaut, es kam zu Prügeleien mit Verletzten und Frauen wurden in der Gruppe sexuell belästigt. Der Drogenhandel, der den Bandenkrieg der beiden Stadtviertel motiviert, nimmt zunehmend Überhand in Puerto und zieht immer mehr Jugendliche in seine Fänge. Hoffen wir, dass es sich nicht wie entwickelt wie in den nördlicheren Ländern Mittelamerikas.

Am Dienstag fuhren wir gemeinsam in die Comunidades. Diesmal klappte die Busfahrt leider nicht wie sonst immer. Zuerst fuhr der Bus über eine Stunde nicht los, der Busfahrer war verschollen. Die Stunde nutzte eine Frau damit im Bus zu predigen, in Spanisch und Mískito. Es war unglaublich anstrengend ihr bei der Gehirnwäsche zuhören zu müssen und es war unerträglich heiß im Bus. Dann fuhr der Bus langsamer als sonst und musste wegen technischen Schwierigkeiten mehrmals halten, so dass wir im dunklen in Butku ankamen und die 20Minuten Fußweg durch den Wald mit Taschenlampen bestreiten mussten.

12-Busfahrt

 

Am Mittwoch brachten wir Maxi und Sarah nach Sangnilaya, wo sie ihr Projekt absolvieren werden. Sie kamen beim Co-Direktor und Lehrer Cesar unter. Auch sie wurden vor die Situation gestellt, dass sie ihre Inhalte vorbringen sollen und ein Projekt durchführen sollen, ohne eine Zusammenarbeit der Lehrer und ohne eine Rückmeldung. Also auch sie werden in eine Rolle gedrückt, in der sie sich nicht sehen. Zudem gab es einen unschönen Vorfall direkt am ersten Abend. Cesar ist 29 und alleinstehend (sehr unüblich hier). Abends kam eine ehemalige Schülerin am Haus vorbei (geschätzt 15 oder 16), die er mit Drängen auf seine Veranda und in seine Hängematte beförderte. Maxi konnte beobachten, wie er sie gegen ihren Willen anfasste und bedrängte. Dieser Vorfall lässt die zwei gerade sehr an ihrem Projektaufenthalt zweifeln, da es hier schwierig ist solch eine Situation anzusprechen, vor allem wenn es ihr Gastgeber und auch ihr „Vorgesetzter“ ist. Momentan schauen sie, wie sie wenigstens einen anderen Unterschlupf finden können und wie sie es möglichst neutral Cesar mitteilen können. Derzeit schauen sie, wie sie ihren Aufenthalt doch noch realisieren können mit einer für sie vorstellbaren Rolle und Aufgabe

Auf dem Rückweg aus Sangni Laya erwischte uns leider der starke Regen und wir wurden nass bis auf die Unterwäsche.

13-Regen

 

Derzeit findet die Reisernte statt und wir lernen Reis hier wirklich zu schätzen, da wir sehen wie viel Arbeit darin steckt. Der Reis muss nach der Ernte in den Bergen zunächst getrocknet und anschließend aus der Schale gestampft werden.

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Unsere Aufgabe in den Comunidades war es diesmal, da die Workshops gescheitert waren, unsere Informationen anhand Interviews mit Akteur_Innen der Kooperative sowie Akteur_Innen der Comunidades zu erhalten. Leider war unsere Wanderung durch die Comunidades erfolglos, da alle infrage kommenden Personen entweder in Puerto waren oder in den Bergen arbeiteten. Abends führten wir aber immerhin ein Interview mit unserem Gastvater Mateo, welches wirklich sehr aufschlussreich und informativ war. Eine wichtige Information die wir erhielten war es, dass am kommenden Montag den 23.9 eine Gruppe von bis zu 300 Personen bewaffnet gegen die Colonos in die Berge ziehen möchte. Unter ihnen viele Ex-Kämpfer der Kontrarevolution in den 1970er und 1980er Jahren. Wir sind gespannt was wir kommende Woche davon hören und hoffe, dass es nicht zur Eskalation des zivilen Konfliktes kommt.

Den Donnerstag trafen wir dann zufällig einige Personen, mit denen wir dann informelle Gespräche führten, hier ein paar Bilder von der Feldforschung.

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In Sangni Laya lud uns der Pfarrer in sein Haus ein, mit dem wir lange über die Comunidades und Nicaragua im allgmeinen sprachen. Umgeben wurden wir von vielen neugierigen Kindern und in der sich daneben (provisorischen) befindenden Kirche, in der eine moravische Konferenz über 4 Tage vorbereitet wurde.

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Eine Busfahrt die ist lustig… Butku und Waspám

Vergangene Woche Dienstag standen wir um 4:30 auf, noch vor Sonnenaufgang, um bereits um 5:30 am Busbahnhof zu sein. Dort wollten wir noch einen Sitzplatz im 6-Uhr-Bus ergattern. Wie immer standen Männer auf, um uns Frauen und noch dazu „Chelas“ (Chele/Chela ist das nicaraguanische Wort für Menschen mit heller Hautfarbe) Plätze anzubieten. Leider fuhr der Bus doch erst um 7-Uhr los und so mussten wir uns noch knapp 1,5 Stunden Predigten und Reden anhören, die einige Personen noch vor der Abfahrt halten, um damit etwas Geld zu verdienen. Als der Bus endlich los fuhr, füllte er sich schnell und ich musste mir meine sowieso schon ungemütliche Sitzbank ohne Beinfreiheit mit drei weiteren Personen teilen, einem Mädchen und einer Mutter mit weinendem Kind. Der Bus war voll beladen, so dass wir bei der Brücke in Siuna alle aussteigen mussten um zu Fuß den Fluss zu überqueren.

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Der Bus fuhr nur die Landstraße bis Santa Martha (und weiter nach Waspam), so dass wir dort um 9 Uhr ankamen und den restlichen Weg in die Comunidad Butku zu Fuß zurücklegen mussten. Auf dem dreistündigen Fußmarsch mit Gepäck, Essen und Trinken für fünf Tage knallte die Sonne und stiegen die Temperaturen ohne Gnade. Dafür war es ein schöner Weg und wir pausierten an einem der vielen Flüsse.

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Wir kamen gegen 12 Uhr total durchgeschwitzt in Butku an und sprangen erst einmal in den Fluss und wuschen unsere Kleidung, auch wenn das Wetter bei Ankunft in Regen umschwengte. Wir trugen im Gegensatz zu den Menschen aus Buktu Bikinis, wodurch wir zur absoluten Attraktion wurden, wie immer. Denn viele Kinder haben noch nie helle Menschen gesehen und starren uns ungläubig an, noch dazu unsere Kleidung und die fremde Sprache. Es ist sehr anstrengend immer im Mittelpunkt zu stehen, sowohl in Puerto als auch in den Comunidades und vor allem im Bus.

Für 14 Uhr war die Mitgliederversammlung der Kooperative einberufen worden, in der über die aktuelle Situation der Kooperative sowie unseren Aufenthalt beraten werden sollte. Wir waren pünktlich, doch erst eineinhalb Stunden später begannen wir mit insgesamt vier Personen, zwei kamen im Laufe der Sitzung noch hinzu. Viele Menschen blieben aufgrund des Regens lieber Zuhause. Der Regen lässt das öffentliche Leben stillstehen, dabei regnet es ganze Neun Monate im Jahr (fast) täglich. Die Sitzung fand überwiegend in Mískito statt, so dass wir nur Schlagwörter verstanden. Nur die Ergebnisse wurden uns in (sehr) verkürzter Form ins spanische übersetzt. Das Ergebnis der Versammlung war, dass Julia und ich für den Mittwoch den 11.September einen ganztägigen Workshop abhalten werden, in dem es um die Zukunft der Kooperative gehen wird, wir also unsere bereits erarbeiteten Inhalte einbringen werden können. Im Anschluss werden wir Interviews mit Mitgliedern der Kooperative sowie traditionellen Dorf-Vorstehenden führen, um einen Bericht über die aktuelle Situation der Kooperative sowie die Grundlage für einen Strategieplan und eine Kommunikationsstrategie zu erstellen.

Den Abend verbrachten wir wie immer auf der Terrasse im stockdunklen, um die Sterne anzuschauen, die Glühwürmchen zu beobachten und zu quatschen. Die Menschen sitzen hier am Abend nicht gemeinsam vor dem Fernseher, sondern lauschen dem Radio und den (lauten) Geräuschen der Tiere in der Nacht. Die kommende Nacht wurde sehr unruhig und kurz. Die Dorfälteste und Gründerin Buktus lag im Sterben und alle Dorfbewohnenden pilgerten in der Nacht zu ihr, was die Hunde die ganze Nacht bellen ließ. Auch der Hahn hielt sich leider nicht nur an den Sonnenaufgang. Ein Holzhaus bietet da leider keinen Lärmschutz und die Schweine und Kühe unter dem aufgestelzten Haus gaben auch ihren Senf dazu. Um 4:30h standen wir wieder auf und wuschen uns bei Sonnenaufgang am Fluss.

Morgen

Um 6 Uhr stiegen wir in den Bus nach Santa Martha, wo wir nach einer Stunde Rüttelfahrt ankamen und wir uns zum Warten auf den Anschlussbus nach Waspam auf eine Bank setzten. Wir wurden von einem 21-jährigen Nicaragüense angesprochen. Der junge Mann fiel uns gleich als viel aufgeschlossener als die bis jetzt kennengelernten Menschen auf. Er wuchs auf Corn Island auf, eine touristische Karibikinsel nähe Bluefields in der südlichen Autonomen Region, die überwiegend von Nachfahren der Sklaven bewohnt wird. Wir fragten ihn, was er auf der Bank machen würde, er sagte „nichts“… er habe einfach nichts zu tun und langweile sich hier. Eines stellen wir in Nicaragua immer wieder fest: Zeit ist das einzige was im Überfluss vorhanden ist. Auch in der Stadt sieht man ständig Menschen, die einfach stundenlang irgendwo sitzen und einfach nichts tun… nicht Radio hören, nicht reden und wir haben noch nie Jemanden lesen sehen. Zeitungen gibt es in Puerto nicht (nur mal ganz selten eine) und die zu kaufenden Bücher sind nur für die Schule oder Universität. Der nette junge Mann lud uns jedenfalls zu sich nach Hause ein. Während er sich an der Bushaltestelle gelangweilt hatte, hatte seine Frau sich um die zwei Kleinkinder und den Haushalt gekümmert. Typische Rollenverteilung hier: der Mann tut lieber nichts als der Frau bei „weiblichen“ Aufgaben zu helfen. Das junge Paar passt in Santa Martha auf das Haus der Mutter auf, die wie ihre anderen zwei Kinder auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet, dass unter anderem Corn Island (Isla del Maiz) anläuft. Leider kam der Bus kurz darauf und so konnte ich ihn nicht mehr fotografieren.

Um 7:30h stiegen wir in den Bus nach Waspam. Die Busfahrt war eine Folter, denn die Straße war sehr schlecht, die Sitze sehr sehr eng und ungemütlich und sie hörten bereits auf Schulterhöhe auf,  so dass mir mehrmals vor Müdigkeit der Kopf weg knickte und ich mir dabei ordentlich den Nacken verspannte. Zudem saß ich über der undichten Radabdichtung, so dass mich bei jeder schlammigen Pfütze der Dreck ein saute. Zudem ist es eine Folter müde zu sein und nicht schlafen zu können. Nach der vierstündigen Fahrt waren wir geschunden von blauen Flecken, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen und die Landschaft hatte auch nur aus langweiligen Pinienwäldern bestanden, die durch den Hurrikan Felix und die (illegale) Abholzung degradierten wurden. In Waspam jedoch wollten wir uns ein paar Tage erholen und mal etwas anderes sehen als Puerto Cabezas und die Comunidades.

Waspam liegt am Rio Coco, dem Grenzfluss zu Honduras. In der Region leben ebenfalls überwiegen Mískitos sowie vereinzelt Mayangas (Sumo). Die Menschen leben überwiegend von Bananen und Kokosnüssen, die sie vor allem über den Wasserweg transportieren. Zudem wollten wir unseren Mískito-Lehrer Marcos und seine Frau Ruby dort treffen. Sie hatten dort ein Haus und wollten gleichzeitig wie wir in Waspam sein. Bei unserer Ankuft konnten wir sie telefonisch jedoch nicht erreichen (im nachhinein erfuhren wir, dass sie es wegen ihrer Herzkranken Tochter nicht geschafft hatten), so dass wir zunächst in einen Comedor (Cafeteria) gingen und uns bei einem Kaffee von der Fahrt erholen wollten. Dort sprach uns Barrington an, er war während der Fahrt zu uns in den Bus gestiegen. Es stellte sich heraus, dass er zu der indigenen Gruppe der Mayangas gehörte und er bis vor kurzen und seitdem der 17 Jahre alt war ein Líder comunitario (ein Dorf-Vorstehender) von Awas-Tingni war. Wer sich einmal mit indigenen (Land-)Rechten beschäftigt hat wird den Fall von Awas-Tingni kennen (1995-2002), er wurde zum Präzedenzfall für indigene Landrechte. Denn Awas-Tingni hat zunächst vor dem nicaraguanischen Gericht und anschließend vor dem internationalen Gericht für Menschenreche und gegen die nicaraguanische Regierung gewonnen, gegen die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen durch ausländische Unternehmen. Der Gemeinde wurde zugesprochen, dass allein die Landnutzung durch eine indigene Gruppe ausreicht für einen Eigentumsanspruch (also Landtitel) und damit die volle Verfügung über die Nutzung der sich darauf befindenden Ressourcen. Hier erfahrt ihr mehr: http://www.g#bv.de/popup_druck.php?doctype=inhaltsDok&doci. Es war ein sehr spannendes Gespräch mit Barrington über indigene Landrechte und die Verteidigung von indigenen Territorien vor Colonos. Denn auch wenn Awas Tingni den Rechtsstreit gewann, sind auch sie betroffen von Colonos. Die Colonos, meistens Mestizen von der Pazifikküste und meistens geduldet von der Regierung, beuten illegal die natürlichen Ressourcen der Indigenen aus. Dies führt in vielen Comunidades, auch im Bloque SIPBAA zu Konflikten, auch bewaffneten. Die Situation spitzt sich zunehmen zu. Barrington lud uns nach Awas Tingni und zu einer Versammlung der beteiligten Akteure ein. Wr hoffen, dass wir es in unserer verbleibenden Zeit in Puerto Cabezas noch dorthin schaffen.

Anschließend zeigte er uns noch eine Auswahl an Hotels im kleinen Waspam (15.000 Einwohner), wir entschieden uns für das Hotel Coco direkt oberhalb des Flusses. Der Besitzer war ein halb-Deutscher. Sein Vater kam aus Auschwitz (von welcher Seite haben wir leider nicht mehr gefragt. Denn in Lateinamerika gibt es sowohl viele Flüchtlinge vor dem 2.Weltkriegs, als auch geflohene Nazis nach Kriegsende). Der Dueño zeigte uns ein wenig die Stadt und nahm uns mit zu seinem Bootsanleger. Wir schlenderten den ganzen Tag durch das kleine Städtchen und genossen es, dass es so ruhig war und keine gruseligen Menschen (wie in Puerto) herum geisterten sondern überwiegend nette und kommunikative Menschen.

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Am frühen Abend setzten wir uns an den Flughafen in eine Bar. Der Flughafen, also eine naturbelassene Landebahn mit einem Ein-Raum-Flughafengebäude. Die Landebahn wird, außer für Flugzeuge, als Park genutzt. Dort tranken gemütlich Bier und entspannten anschließend auf der Terasse des Hotels. Um 9 fielen wir bereits müde ins Bett. Den nächsten Morgen versuchten wir aus zu schlafen, doch das Leben auf den Straßen ging bereits um 5 Uhr los. Dennoch standen wir erst gegen halb 8 auf, um mit Blick auf den Fluss (und Honduras) zu frühstücken.

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Wir trödelten vor uns hin, das war ein Fehler.. Denn wir wollten gerne auf den Fluss und wie wir feststellen mussten, waren alle Boote nur in den frühen Morgenstunden gefahren, mit denen wir auch wieder hätten zurück nach Waspám hätten kommen können. So irrten wir rund 2 Stunden von einem zum anderen Bootsanleger und nahmen Schlussendlich ein (viel zu teures) Camioneta, also ein Jeep. Wir quetschten uns mit rund 11 anderen Passagieren, einem Hund, einigen Taschen und Säcken auf die Ladefläche und vervielfachten unsere blauen Flecken und Gliederschmerzen. Die halbstündige Strecke nach Leimus, eine kleine Comunidad ebenfalls am Rio Coco war aber ganz schön und ging unter anderem durch einen kleinen Fluss.

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Leimus war, im Gegensatz zu unseren Vorstellungen, nur ein sehr kleines Nest. Das einzige was es hier gab war die Grenze nach Honduras. Wir hatten unsere Reisepässe jedoch aus Sicherheitsgründen im Hotel gelassen und konnten somit diese nicht passieren. Wir hatten auch Angst, dass wir vielleicht kein Visum mehr bekommen oder erst ein paar Tage später wieder einreisen konnten. Zudem ist auf der anderen Seite weit und breit keine Stadt, nur vereinzelte Finkas und dadurch gefährlich. Dennoch mussten wir einen Militärstütztpunkt passieren und die äußerst arroganten Militärs mussten sich mal wieder gegenüber uns Frauen und dann auch noch „Chelas“ aufspielen und wichtig tun und uns gründlichst untersuchen und alle Personalien aufnehmen. Nach rund 15 Minuten und gefühlten Stunden des Gaffens und „abchecken“ ließen sie uns zum Glück dann doch gehen.

In Leimus begegneten wir wieder vielen netten und interessierten Menschen, die uns über ihr Leben und die Mískitos erzählten und sich sehr freuten, dass wir bereits etwas Mískito sprechen. Leider gibt es von solchen netten Menschen keine in Puerto, wir begegneten ihnen jedenfalls noch nicht.

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Eine gute Stunde später fuhren wir mit der letzten Camioneta wieder zurück nach Waspám. Da es wieder ein sehr heißer Tag gewesen war (und wir leicht verbrannte Haut hatten) stiegen wir kurz vor der Stadt bereits ab und sprangen mitsamt Kleidung in einen Fluss – es war eine tolle Abkühlung und mitsamt Kleidung waren wir auch nicht ganz so die Attraktion wie im Bikini.

Zum verspäteten Mittagessen gingen wir wieder in den Comedor. Da die Menschen hier viel Fleisch essen (außer in den Comunidades, dort ist es Mangelware), gibt es nur Gerichte mit Fleisch oder Fisch. Das Wort „vegetarisch“ kennen die Menschen nicht. Aber wir zwei Vegetarierinnen wollten sowieso mal den Fisch ausprobieren und das war eine sehr gut Idee – ich glaube es war der beste Fisch den ich je gegessen hab. Frittiert, mit frischen Limetten und mit gebackenen süßen Kochbananen natürlich.

Am Nachmittag wollten wir die Landebahn erkunden, die wieder von vielen Menschen und auch Tieren als Freifläche genutzt wurde. Doch just in dem Moment als wir dort lang spazierten kam eine kleine Propeller-Maschine angeflogen. Wir sprangen zum Gelächter der Anwohnenden erschrocken von der Landebahn, doch der sich darauf befindende LKW schien sich nicht gestört zu fühlen. Als sich das Flugzeug nur noch wenige Meter über dem Boden befand und der der LKW immer noch nicht die Landebahn freigemacht hatte, flog das Flugzeug wieder hoch und konnte erst im zweiten Landeanflug landen. Die Anwohnenden schienen es als etwas alltäglichen anzusehen. Wir kamen nicht mehr raus aus dem lachen. Total absurd!

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Im Anschluss wollten wir wieder in unsere Flughafen-Bar gehen. Doch abermals mussten zwei Militärs uns damit belästigen, uns zu folgen und uns aus der Nähe eingehend zu betrachten. Anscheinend haben die Militärs in Nicaragua noch mehr als sowieso schon alle Männer einen Freischein zum glotzen und Frauen dumm anmachen… nervig! Auf dem Rückweg nach der Bar musste uns wieder ein Militär ansprechen, er hatte uns bereits am Tag zuvor in zivil angesprochen und dabei mmeeeeehrfach stolz betont, dass er Militär sei. Auch dieser wollte uns nur anmachen und begründete das immer wieder stolz damit, dass er ja Militär ist… meine Meinung zum Militär wird hier nicht besser…!

Den Abend verbrachten wir mit Bier und geröstetem Mais auf der Veranda des Hotels und hatten einen wunderbaren Ausblick auf den Fluss, der leider nur von den vielen Malaria-Mücken getrübt wurde. Wir wurden wirklich gut zerstochen in Waspám, zum Glück nehmen wir bereits die Malaria-Prophylaxe.

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Am nächsten Morgen genossen wir zum letzten Mal das fließende Wasser der Dusche und Toilette und machten uns um 6:30h zum Bus auf, den wir fast verpassten, da er früher und woanders abfuhr als gedacht. Leider gibt es hier weder Buspläne, noch richtige Haltestellen oder sonstige Informationsquellen, die den wenigen Touristen Auskunft geben könnten. So sprangen wir zwischen zwei Stationen auf. Das Busteam begrüßte uns freudig, wir kannten die Männer nämlich bereits aus Puerto. Der Bus steht immer auf unserem Weg in die Stadt und der Gepäckjunge gefällt uns auch ganz gut 😉 Die Fahrt war zum Glück angenehmer als die Hinfahrt und da es wolkig und regnerisch war, zum Glück auch nicht zu heiß. Allerdings dauerte sie diesmal über 6 Stunden und wir waren wirklich froh als wir endlich aussteigen durften und nun bis kommenden Dienstag keine weitere Busfahrt antreten müssen.

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Unsere Reise in die Comunidades und zu unserem Projektproblemchen

Am Montag ging es nach Butku im Bloque SIPBAA. Wir fuhren mit einem Taxi überpünktlich zur Starthaltestelle des Busses, um noch einen Platz für die über dreistündige Rüttelfahrt ergattern zu können. Der immer-gleiche Busfahrer erkannte uns sofort und begrüßte uns freudig. Er ist wirklich einer der charismatischsten Menschen denen ich jeh begegnet bin: er ist dick und hat einen Afro – ich würde sagen er hat afrikanische Wurzeln, aber da die Mískito zum Teil ebenfalls so dunkel sind, ist die Ethnie wirklich nicht immer einfach zu sagen. Er kennt alle Mitfahrenden und scherzt mit allen rum. Begleitet wird er immer von einem Gepäckjungen und einer Kassiererin. Jeden Morgen fahren sie um 5:30h in der ersten Comunidad Sangnilaya los, um zwischen 9 und 9:30 in Puerto Cabezas anzukommen. Um 14 Uhr startet der Bus dann zur Rückfahrt, so dass sie um rund 18 Uhr wieder in Sangilaya eintreffen – Montag bis Samstag, das ganze Jahr. Er ist der Chef im Bus, das zeigte er auch auf dieser Fahrt wieder deutlich. Es gab einen heftigen Ehestreit – soweit wir das mit unserem Mískito und den vereinzelten englischen oder spanischen Wörtern entziffern konnten. Das Gemenge breitete sich im ganzen Bus aus, alle diskutierten und hantierten mit. Irgendwann stand der Busfahrer auf und soweit ich das gesehen habe, entnahm er dem Mann der Ehering und warf ihn aus dem Fenster. Ohne ein Wort setzte er sich wieder auf seinen Fahrersessel, setzte seinen Hut auf und fuhr weiter. Danach war Ruhe im Bus.
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Wir kamen in der Dämmerung in Butku an, Mateo Ocampo holte uns am Bus ab. Er kam mit schlechten Nachrichten. Am Montag gab eine eine Versammlung in der bekanntgegeben wurde, dass der Präsident der Kooperative COOSIPBAA und die Richter der Gemeinden, die mit Ortsbürgermeistern verglichen werden können, einen Vertrag unterzeichnet haben. Der Vertrag mit Alba forestal besagt, dass ab nun Alba und nicht mehr die Comunidades, vertreten durch die COOSIPBAA, die Rechte zur Abholzung der kommunalen Flächen besitzen. Soweit wir das bis jetzt sagen können heißt dass, dass die Kommunen ihre nach der Revolution hart erkämpfte Autonomie und kommunalen Landrechte damit im Vertragszeitraum an die Alba abgeben. Die Alianza Bolivariana ist eine von Venezuela mit den sozialistischen Ländern Lateinamerikas (Venezuela, Nicaragua, Bolivien, Ecuador und Kuba) gegründete „alternative“ Wirtschaftsmacht, die der kapitalistischen Welt eine Alternative gegenüberstellen soll. Am Beispiel Nicaraguas, beziehungsweise RAANs sehen wir allerdings gerade, dass die Alba die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten weiterführt und das zum besonderen Nachtteil der Comunidades, denn die Alba zahlt noch weniger Geld für das Holz, als es die COOSIPBAA mit ihren Partnern könnte. Denn obwohl Holz in Europa teuer ist, kommt der geringste Anteil bei den abholzenden und von den umweltzerstörenden Nachwirkungen betroffenen Gemeinden an. Der Großtteil des Geldes geht an Zwischenhändler und in den Transport. Soweit wir das derzeit einblicken können, haben die Comunidades keinerlei Vorteile durch die Übernahme der Rechte durch die Alba. Da die Alba sich seit dem Hurrican Felix bereits in der Region einmischt und im besonderen der Präsident Ortega persönliche (finanzielle) Vorteile von der Alba und der Kooperation mit Venezuela erhält, ist diese Situation nur durch einen hohen Anteil an Korruption durchfürhbar. Wir vermuten und das wurde uns im nachhinein auch von anderen bestätigt, dass die Richter und der Präsident der Kooperative gutes Geld dafür erhalten haben, dass sie den Vertrag unterschreiben, da sie damit das Todesurteil der Kooperative und der kommunalen Flächen- und Selbstverwaltung unterschrieben haben. Zudem wurde die Entscheidung ohne die Mitglieder und vor allem außerhalb des Vorstandes getroffen. Mit diesem Wissen gingen wir bereits davon aus, dass die Workshops am kommenden nicht gut besucht sein werden, da kaum noch Mitglieder hinter der Kooperative stehen.
Am kommenden Morgen passten wir uns wieder dem Rhythmus der Comunidades an und standen um halb Sechs mit dem Sonnenaufgang auf. Mateo war da bereits fort zum arbeiten, so dass wir zunächst entspannt frühstückten. Der Workshop sollte um acht beginnen, zu der Zeit liefen wir jedoch erst los, Mateo wollte nachkommen. Da es in der vergangenen Zeit viel geregnet hatte, war der Fluss so hoch, dass wir einen großen Umweg in Kauf nahmen und erst gegen kurz vor Neun völlig verschwitzt an der Kooperative ankamen – es war noch niemand da und das Büro verschlossen. Um halb zehn kam Mateo und gegen elf kam Felicia, eine Mitglied des Vorstandes. Weitere Menschen kamen nicht und vor allem nicht der Präsident mit dem Schlüssel des Bürogebäudes indem wir immer noch nicht drin waren. Mateo und Felicia waren wie wir der Meinung, dass die Workshops unter diesen Bedingungen keinen Sinn machen: zum einen ist durch den Vertrag mit Alba nun komplett offen wie es mit der Kooperative weitergeht und zum anderen stehen viele der Mitglieder aufgrund des Präsidenten und der Konflikte in der Vergangenheit nicht mehr hinter der Kooperative. Eine Strategieplanung unsererseits macht somit wirklich keinen Sinn. Wir machten ab, dass wir für kommenden Dienstag eine Mitgliederversammlung einberufen werden und dort den weiteren Fortgang der Kooperative besprechen werden. Frage ist, wer weiß schon von der Situation oder wer wusste es bereits? Was hat der Präsident mit der Kooperative vor? Und wie geht es für uns weiter, immerhin waren wir hier um der Kooperative einen Dienst zu erweisen. Wir haben quasi Halbzeit und noch nichts erreicht. Natürlich haben wir viel gelernt hier und nehmen einiges mit, sowohl thematisch, als auch politisch oder kulturell. Wir werden zunächst die Zeit jetzt nutzen, um in lateinamerikanischen Zeitschriften (Lateinamerika Nachrichten, ila) über die Situation hier vor Ort zu berichten.Vor allem möchten wir die Rolle von Alba kritisch aufzeigen, da in linken deutschen Institutionen und Medien die Alba stets unkritisch und positiv dargestellt wird. Neben der Recherche werden wir Interviews in den Comunidades führen, mal sehen welche weiteren Themen wir aufbereiten können. Ein kritischer Blick auf die Entwicklungszusammenarbeit und die Rolle von „Entwicklungshelfenden“ könnten wir an unserem Beispiel auch ganz gut zerreißen…
Den Dienstag verbrachten wir im Haus von Ocampos, denn es regnete ab dem Mittag unentwegt. Wir hatten nicht wirklich was zu tun und es war ein unglaublich langer und langweiliger Tag. Kurz vor Dämmerung gab es eine Regenpause die wir just nutzen etwas raus zukommen und nochmal durch Butku zu laufen. Plötzlich vernahmen wir ein Rauschen, es klang wie ein Wasserfall oder eine Flutwelle. Von der Veranda rief uns eine Mískita zu „la lluvia viene“ (Der Regen kommt)… wir drehten umd und erreichten nur noch rennend das Haus, bevor sich die Regenwand durch die Landschaft bewegte und binnen Sekunden alles unter Wasser stellte. Beeindruckend.
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Am Mittwoch standen wir um fünf auf, um mit dem Sechs-Uhr-Bus wieder nach Puerto zu fahren. Obwohl wir gerade nichts zu arbeiten haben schaffen wir es irgendwie immer die Tage voll zu planen: Ins Zentrum laufen (rund 45minuten), Einkaufen, lesen oder schreiben, Internetcafé, Mískito lernen und Wäsche waschen und Haus tierfrei-halten sind auch immer sehr zeitaufwendig. Zudem waren wir den Donnerstag nochmal bei Masangni und hatten ein Interview zur Situation der COOSIPBAA und zur Rolle von Alba forestal. Entweder wir können die Infos doch noch für die Arbeit mit der Kooperative verwenden oder ansonsten für die Publikationen. Die Abende verbringen wir meistens mit lesen oder quatschen und trinken das nicaraguanische Bier Toña dazu, dass zwar wie alle lateinamerikanischen Biere sehr mild ist, aber trotzdem ganz gut schmeckt. Oder wir trinken leckeren Rum: der nicaraguanische Flor de Caña schmeckt wirklich noch besser als Havanna Club und mit (Big-)Kola und Limette als „Nica libre“ ist er wirklich lecker.

Wie die Dinge so laufen… an der Costa Caribe

Die letzte Woche verbrachten wir damit, die ersten Workshops intensiv vorzubereiten. Wir haben uns mit den Problematiken der Diversifizierung von Produkten als Alternative zur Abholzung beschäftigt, mit notwendigen Regulierungen im Arbeitsablauf und in der Kommunikation der Kooperative sowie mit möglichen strategischen Partnern auseinandergesetzt. Dafür haben wir unser Haus in ein Büro verwandelt:
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Am Wochenende gönnten wir uns eine kleine Pause indem wir am Samstag mit zwei Jungs ausgingen. Wir gingen in eine „Trinkhalle“ mit Hermán, der sehr in Julia verliebte Gemüseverkäufer und seinem Cousin Miguel. „Trinkhalle“ passt daher gut, da es eine offene Bambushalle war, in der so laut Musik gespielt wurde, dass wir kaum unsere Worte verstanden haben und wir daher mehr getrunken haben als uns zu unterhalten. Die „Jungs“, sie sind erst 22 und 21 Jahre alt – Männer in unserem Alter sind für gewöhnlich alle schon verheiratet und haben Kinder – haben uns mit dem Auto abgeholt. Miguel fuhr meiner Verständnisses nach sehr unkontrolliert und wie er später erzählte, reicht in Nicaragua ein physischer Test (Augentest, Bluttest etc.) für die Fahrlizenz, erlernen tun es die Menschen selber… Zum Glück gibt es hier fast nur Sandstraßen mit tiefen Schlaglöchern, so dass die Menschen wirklich nicht schnell fahren können. Der Abend war sehr interessant, vor allem weil wir viel über die Lebenssituation der beiden erfahren haben, die „klassische“ nicaraguanische Lebensläufe haben. Hermán Vater verstarb vor wenigen Jahren bei einem Autounfall auf dem Rückweg eines Jobs aus Guatemala. Die Arbeitsmigration ist ein großes Thema in Nicaragua. Viele „Nicas“ gehen in das reiche Costa Rica und arbeiten als Hausangestellte. Das Verhältnis der beiden Länder ist angespannt, zum einen politisch, aber eben auch wegen der prekären Arbeitsverhältnisse zueinander. Männer gehen teilweise ebenfalls in die „reicheren“ Nachbarländer, wie Hermanns Vater. Hermán muss aufgrund des Tods bereits mit 22 das Geld für seine vier jüngeren Geschwister verdienen. Er arbeitet wie gesagt aus Gemüsehändler im einzigen Supermarkts Puertos. Der Besitzer des Supermarktes (ihm gehören noch ein Hotel und die einzige Trinkwasseraufbereitungs-Firma) ist einer der reichsten Männer der Stadt (zusammen mit Besitzern von Langusten-Fischereien). Er ist Menschen wie Hermán – die indigene Vorfahren haben – sehr rassistisch gegenüber eingestellt. Hermán verdient rund 160€ im Monat, obwohl er 6 Tage die Woche täglich und ohne Ferien arbeitet. Das Durchschnittseinkommen in Nicaragua liegt bei rund 220€ und RAAN liegt mit rund 130-200€ deutlich darunter. Bevor er den Job im Supermarkt hatte, arbeitete er für ein Jahr zum Goldschöpfen in den Minen in Bonanza weiter im Westen von RAAN. Dort arbeitete er in rund 12-Stunden Schichten in der Nacht und schlief am Tag, eine ebenfalls prekäre Arbeit. Miguel studiert Umweltwissenschaften an der örtlichen staatlichen Universität, er lebt ebenfalls noch bei seiner Familie und seinen sechs Geschwistern. Sein Onkel verdient sein Geld mit dem gefährlichen Langustenfischen, darüber werde ich noch berichten. Der Abend war jedenfalls sehr interessant, auch wenn die zwei ständig von der großer Liebe sprachen (ein ständiges Thema hier und alle Lieder handeln nur von Liebe) und immer wieder sagten wie romantisch und sensibel sie seien… Das war etwas anstrengend. Der Abend war zudem ein spannender, da das Baseball verrückte Niacaragua an dem Tag einen historischen Sieg zu verzeichnen hatte. Die Costa Caribe besiegte zum ersten Mal die Hauptstadt Managua und das Spiel fand im Stadion in Puerto Cabezas statt. Julia und ich hatten uns bereits gewundert, warum die Straßen Samstag Mittag ausgestorben waren wie sonst nur am Sonntag zur Messe. Am Abend strömmten dann die Menschen feiernd durch die Straßen und hupten und es ist bis heute Gesprächsthema, dass die sonst so vernachlässigte Costa Caribe die Pacíficos besiegt hat.
Am Sonntag nutzten wir den sonnigen Tag – in letzter Zeit regnet es wirklich viel – um an den Strand zu gehen. Wir nahmen nichts mit was uns geklaut werden könnte. Dort warteten schon Hermán und Miguel auf uns, sie wussten von unserem Plan den Strand zu besuchen und wollten auf uns aufpassen. Der Strand war voller Familien und Jugendlicher, so dass wir auch alleine hätten sicher dort sein können, aber so konnten wir uns dort wirklich frei bewegen und die frische Luft und die Wellen genießen. Schwimmzeug hatten wir jedoch noch nicht dabei, so dass ich nur knietief im Wasser stand und Julia mitsamt ihrer Kleidung in die Wellen sprang. Auch wenn die zwei Jungs nicht unsere besten Freunde werden, durch sie können wir uns wenigstens etwas freier in Puerto Cabezas bewegen und wir sprechen etwas mehr spanisch. Demnächst wollen wir gemeinsam Langusten zubereiten und kommendes Wochenende gehen wir vielleicht mal tanzen.
Zudem wissen wir uns inzwischen trotz mangelnder Nahrungsmittel mit dem Essen zu helfen. Nach etwas suchen haben wir auf dem Markt Äpfel gefunden, die sind zwar teuer aber einfach ihr Geld wert. Auch süße Bananen, Melonen und Avocados konnten wir bereits hin und wieder entdecken. Der Supermarkt hat jedoch immer noch ein wöchentlich wechselndes Sortiment und es ist immer wieder eine Überraschung was wir so finden. Beispielsweise gibt es super viel Putzmittel, ekelhafte Süßigkeiten und Hundefutter… aber Grundsnahrungsmittel und frisches Obst und Gemüse sind Mangelware. Zudem warten wir verzweifelt auf Mückenschutz. Zudem haben wir zwei Vegetarierinnen uns vor lauter Verzweiflung schon Würstchen und Thunfisch gekauft – hier gibt es auch riesen Schildkröten zu essen, aber daran trauen wir uns nicht, die liegen nämlich tagelang in der Sonne bis sie grün sind, ich hoffe ich kann mal ein Foto davon schiessen. Der Thunfisch war jedoch ganz vorzüglich, die Würstchen hingegen wirklich widerlich, die kommen uns nicht mehr auf den Tisch. Auch mexikanisches Essen essen wir hier viel, wie Mais-Tortillas. Wir vermissen zwar immer noch den deutschen Käse – trotz eines essbaren Käses den wir entdeckt haben – und Dinge wie Brot, Schokolade, Milchprodukte oder Honig, aber wir können uns doch inzwischen ganz gut arrangieren.
Vielleicht sollte ich noch vom Ausgang von unserer Mäuse- und Rattenjagd berichten. Vor rund 10 Tagen begannen wir Gift auszulegen, da die Ratte sich fast täglich zeigte und nachts die Küche auf den Kopf stellte. Doch obwohl das Gift jeden Morgen weg war, kam jeden Tag – rund 5 Tage lang – immer wieder die Ratte (oder war es eine Ratten-Armee?!) runter. Also legten wir weiter Gift aus, doch irgendwann verschwanden die Ratten und stattdessen kam kleine Mäuse. Vor Butku (Bloque SIPBAA) fanden wir zudem 3 tote Mäuse im Haus, die uns zum Glück Nachbars Katze raus schleppte. Als wir aus den Comunidades zurückkehrten, roch es jedoch nach Verwesung im Haus, der Geruch wurde wirklich unaushaltbar, wir konnten ihn jedoch nicht orten und in der Küche wirklich nichts entdeckten. Unsere Befürchtung war, dass es die tote Ratte im Dach ist. Und auch die Kakerlaken wurden angezogen von dem Geruch. Als der Gestank unerträglich wurde, stellten wir die ganze Küche auf den Kopf. Zuerst entdeckten wir ein vermissten Lappen, er war durch ein Loch von hinten unter die Gas-Kochstellen gezogen worden. Wir hatten häufiger Fiepen wahrgenommen während des Kochens, also hatten die Mäuse tatsächlich sich mit Lappen Höhlen unter den Gasplatten gebaut… Dort fanden wir jedoch keine tote Ratte oder Maus. Nein, die tote und schon halb verweste Maus fanden wir in unserem Backofen (der so ekelhaft dreckig und auch kaputt ist, dass wir ihn nie verwendeten, sondern nur die Gasplatten). Mit einem Stock fischten wir sie dort heraus und machten das Dreckloch so gut es ging sauber, seitdem ist der Verwesungsgeruch zum Glück weg, unser Ekel jedoch größer denn je. Kleine Mäuse springen jetzt regelmäßig in der Küche rum, aber so lang sie nicht zu viele werden und nicht wieder Ratten aufkreuzen werden wir nicht wieder Gift auslegen.
Abschließend wollte ich euch noch paar Fotos zeigen, zum ersten ist unsere Wäscheleine sehenswert. Denn die Wäscheleinen sind hier immer Stacheldraht… Eine Erklärung wäre vielleicht der starke Wind und häufige Regen oder andere Leinen sind Mangelware. Jedenfalls sehen dementsprechend immer die Kleider aus – zerlöchert. Aber Kleidung ist hier auch Mangelware, beziehungsweise habe ich noch kaum Geschäfte mit Neuware gesehen, sondern es gibt nur unzählige Stände mit Secondhand-Ware. Eventuell , aber das ist nur eine Vermutung, gibt es eine ähnliche Problematik wie in einigen afrikanischen Ländern, nämlich dass deutsche Caritas-Organisationen die in Deutschland gesammelten Altkleider an Zwischenhändler verkaufen, die es dann in den Ländern des Südens teuer verkaufen. Dies zerstört die lokalen Textil-Industrien. Hier in RAAN scheint es die Textil-Industrie jedoch nicht zu geben, teuer verkaufte gespendete Ware könnte es jedoch trotzdem sein:
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Unser ASA-Projekt

Ich bin euch noch schuldig zu berichten, was genau wir hier eigentlich treiben. Julia und ich sind mit dem ASA-Programm hier, einem entwicklungspolitischen Bildungsprogramm, welches vormals der GIZ und nun der Engagement Global unterstellt ist und durch das BMZ finanziert ist. Es ist eine Organisation, die vor allem durch ihr Netzwerk an engagierten Menschen lebt und sehr kritisch gegenüber der „klassischen“ Entwicklungspolitik eingestellt ist, weshalb wir uns auf unseren zwei Lateinamerika-Vorbereitungsseminaren fast ausschließlich mit uns und unserer Rolle im Ausland und im allgemeinen mit (Post-)Kolonialismus, Rassismus und Gender auseinandergesetzt haben. Wir hatten wirklich kritische Workshops und beispielsweise gab ASA auch Menschen vom Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz in Berlin den Raum zu sprechen. Außerdem hatten wir Referierende zum Thema Critical Whiteness und auch Raum um selbst Themen anzubieten. Auch viele Teilnehmende des Seminars haben sich bereits in der Flüchtlingspolitik, der Rassismus-Arbeit oder zu Sexismus-Themen engagiert oder hatten umfangreiche Erfahrungen aus Lateinamerika oder dem Ausland, so dass es zwei wirklich intensive Wochen für mich und uns alle waren.

Julia und ich haben unser Stipendium für das Projekt „Ressourcenschutz und ländliche Entwicklung – strategische Unterstützung der Kooperative COOSIPBAA“ in Nicaragua erhalten. Die Kooperative (Genossenschaft) des Bloque SIPBAA wurde 2005 gegründet, um die Abholzung des Regenwaldes auf dem kommunalen Land der sechs Dörfer zu koordinieren und zu kontrollieren, aber auch zu kommerzialisieren. Zudem ist sie für die Wiederaufforstung des Waldes zuständig. Das Land in RAAN beruht auf den Indigenen Rechten, die den Gemeinden kommunales Landrecht zusprechen. Indigenität wird im internationalen Kontext meist als „Kommunal“ beziehungsweise „gemeinsamer Besitz“ definiert. Die Mískito hingegen denken eher in Familien-Maßstäben, sind jedoch auch an die Indigenen Rechte gebunden. Seit den letzten 60 Jahren leben die Mískitos überwiegend von der Mahagoni-Abholzung, zuvor lebten sie von der Fischerei in den Flüssen der Regenwaldgebietes und der angrenzenden Pinienwälder und von Substistenzwirtschaft.

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Der Bloque SIPBAA im Pinienwald und vereinzelten Palmen

RAAN, die nördliche indigene autonome Region Nicaraguas, die ärmste Region des Landes, wurde 2008 schwer vom Hurrikan Felix getroffen. Er zerstörte weite Teile des Regenwaldes, zerstörte den Großteil der Bambus-Häuser der Mískito sowie die Fruchtbäume der Region. Seitdem hat die Region noch größerer Schwierigkeiten damit, ihre Bevölkerung mit Lebensmittel zu versorgen und ist auf den Export von der Pazifikküste angewiesen. Zudem ist die Region seitdem mehr als je zuvor abhängig von internationalen Entwicklungsorganisationen, die auch in einer großen Anzahl vertreten sind. Die Bevölkerung ist bereits darauf eingestellt und beantworteten allen – auch uns als „Forschenden“ – die Fragen meistens im Hinblick darauf, dass für sie etwas dabei herausspringt. Beispielsweise gab es in den vergangenen Jahren ein Projekt der Nationalregierung, welches Kühe an die lokale Bevölkerung verteilte. In den Dörfern sind viele Kühe zu sehen, sie laufen frei herum. Wenn wir die Bevölkerung jedoch fragen würden, ob ihnen die Kühe gehören, würden sie es verneinen, um noch mehr Kühe bekommen zu können. Dies ist wirklich nicht böswillig gemeint, sondern geht zum einen auf die extreme Armut zurückzuführen und zum anderen auf den Einfluss der vielen Projekte in der Region.

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Internationale Organisationen

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Internationale Organisationen

Die Kooperative COOSIPBAA läuft jedoch in den vergangenen Jahren nicht mehr gut. Es fehlt an Transparenz in der Arbeit, die durch fehlende Buchhaltung noch verstärkt wird. Die bei der Abholzung gezahlten Steuern sollen in Gemeindeprojekte investiert werden, jedoch findet auch darüber keine Kontrolle und keine Transparenz für die Gemeindemitglieder statt. Zudem finden illegale Regenwaldrodung statt, die zu Neid und Konflikten in den Comunidades führen. Das hat zur Folge, dass die Kooperative an Ansehen und an Vertrauen verloren hat. Hinzu kommt, dass die Kooperative de facto zahlungsunfähig ist.

In den Vergangenen Jahren kam noch ein weiteres Problem hinzu, die „Colonos“. Diese Menschen, die keine Mískitos sind, ziehen in die Berge im Regenwald und auf die kommunalen Flächen der Gemeinden beziehungsweise ihrer agroforstwirtschaftlichen Kooperativen und roden ohne Kontrolle und ohne dafür Steuern zu zahlen, zudem sorgen sie sich um keinerlei Wiederaufforstung. Dies führte in der Vergangenheit zu starken Auseinandersetzungen bis hin zu bewaffneten Konflikten zwischen den Colonos und den Comunidades.

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Blick auf den Regenwald und die Berge in denen die Colonos leben

Im vergangenen Jahr war eine deutsche Praktikantin über die GIZ im Bloque SIPBAA beziehunsgweise bei Masangni und hat eine erste Analyse über die Situation der Kooperative erstellt. Sie stellt die Grundlage unserer Arbeit und auch der ASA-Programmteilnahme dar.

Im Zuge unseres Projektpraktikums sollen wir eine eine Grundlage für eine neue Strategieplanung sowie eine Kommunikationsstrategie der COOSIPBAA erarbeiten. Das Wissen dafür erhalten wir durch Feldforschung, Interviews und Workshops mit Fokusgruppen, die vor allem der Vorstand der Kooperative sowie Mitglieder aus den Gemeinden Butku und Panua darstellen. Zusammen mit unserem Ansprechpartner Juan Carlos, der sich stark für eine Neuausrichtung der Kooperative einsetzt und derzeit in Mexico studiert, haben wir folgende Kernthemen für die Workshops erarbeitet: Als ersten werden wir über eine Diversifizierung von Produkten sprechen, also Alternativen zu Holz erörtern, da der Hurrikan Felix weite Bestände des Waldes zerstört hat und wir nach „zukunftsfähigeren“ beziehungsweise vor allem nachhaltigeren Rohstoffen finden wollen, die ausreichend Einkommen für die Familien sichern. Denn der Hafen in Puerto lässt kaum den Export von Holz ins internationale Ausland zu und ist zusätzlich noch sehr schlecht bezahlt. Bis vor kurzem besaß die Kooperative das FSC-Siegel, dieses schufen sie jedoch ab, da es sie zu sehr eingeschränkt hat und sie somit noch weniger Geld mit dem Holz verdienen konnten.

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degradierter Pinienwald in Butku

Das zweite Thema in den Workshops wird eine „Acta de Reglas“, also Verhaltens-Richtlinien sein. Gemeinsam mit den Mitgliedern und dem Vorstand werden wir Regeln und Sanktionen formulieren, an die sich die verschiedenen Akteur_Innen halten sollen, um wieder eine Transparenz und ein Vertrauen aufzubauen. Des Weiteren werden wir über regionale, nationale und internationale Strategische Partner sprechen, die die Kooperative in ihren Aktivitäten unterstützen können. In einem weiteren Workshop nähern wir uns einer Kommunikationsstrategie zwischen den verschiedenen Akteur_Innen an, wir werden also über mögliche Informationskanäle nach innen und nach außen sprechen. Das heißt wir beschäftigen uns mit Öffentlichkeitsarbeit, aber auch mit Bekanntmachungen und mit Möglichkeiten des gegenseitigen Feedbacks. In der dritten Workshop-Woche werden wir über die Mitglieder-Gewinnung und Bedingungen sprechen und den Aufbau bzw. die Infrastruktur der Kooperative erörtern und wenn möglich optimieren. Momentan liegen viele Entscheidungen und auch Privilegien bei wenigen Personen, was zu Neid und auch manchmal Unverständnis innerhalb der Kooperative aber auch in Beziehung zu den Comunidades führt. Durch die fehlende Buchhaltung kommt es so auch zur Veruntreuung von Geld und zu Korruption. Im letzten inhaltlichen Workshop werden wir über die Gebietsverteidigung gegenüber den Colonos und über Erfahrungen und mögliche (rechtliche) Maßnahmen sprechen. Und zu guter Letzt werden wir Auswertungs-Workshops sowie eine Abschlusspräsentation unserer Ergebnisse veranstalten.

Wie ihr seht, arbeiten wir uns gerade neben der Methodik in diverse Thematiken ein, die uns sehr fordern und in die wir auch manchmal nicht ganz einblicken können. Außerdem ist der Zugang zum Internet begrenzt und dort ist nicht viel zu finden, das Büro der Kooperative ist verschlossen und Masangni hat uns auch noch nicht großartig weitergeholfen, so dass wir noch einige Hürden überwinden müssen. Noch haben die Workshops nicht begonnen und unsere Aufregung steigt, besonders da wir diese in spanisch abhalten müssen und besonders mein spanisch noch nicht sehr gut ist. Außerdem sprechen viele der Teilnehmenden kein oder kaum spanisch, sondern nur mískito oder können nicht schreiben, so dass wir uns einiges an Moderation und Methodiken ausdenken müssen, um auch mit zufriedenstellenden Ergebnissen aus den Workshops raus gehen zu können.

 

Das Gesundheits-Dilemma, die Rattenjagd und es geht voran im Projekt

Endlich mal besser Nachrichten. Julia hat ihr Denguefieber-Virus gut überstanden, sie ist quasi wieder fit. Den Donnerstag ging es ihr noch sehr schlecht, doch seit Freitag ging es aufwärts. Und wir haben Dengue nochmals gegoogelt: 2013 gibt es in Nicaragua tatsächlich eine Dengue-Epidemie, das heißt mehr Fälle von Dengue als die letzten Jahre, das hat multiple Gründe. Zum einen gibt es dieses Jahr viel Regen und zum anderen hat auch der Klimawandel einen Einfluss. Denn die insgesamt höheren Temperaturen führen dazu, dass die Moskitos schneller larven und sich schneller vermehren. Zudem sticht die Dengue-Mücke tagsüber (hier ist das Moskitonetz kein Schutz) und die Denguemücken leben vor allem in urbanen Siedlungen und erreichen somit mehr Menschen als die Malaria, die vor allem im ländlichen Raum ein großes Problem ist. Zu den aktuellen zahlen, laut offiziellen Statistiken (die sicherlich nur bildhaft sind, jedoch nicht alle Fälle abdecken können), gibt es 2013 bereits mehr als 2000 Dengue-Fälle in Nicaragua (5,7 Millionen Einwohner) und daran gestorben sind offiziell 6 Personen. 2012 wurden in Nicaragua offiziell insgesamt 804 Fälle von Malaria gemeldet, davon waren 80% in der RAAN-Region in der wir uns befinden (besonders nord-östlich von uns, an der Grenze zu Honduras). Malaria geht im Gegensatz zu Dengue um einiges oefter toedlich aus. Aus dem Grund wurde uns inzwischen auch von zwei Ärzten empfohlen, eine Malaria-Prophylaxe einzunehmen. Diese Mittel sind jedoch sehr Leber-schädigend, haben viele und starke Nebenwirkungen und können nur in einem begrenzten Zeitraum eingenommen werden. Dr. Fausto riet uns, zu der Apotheke Prado zu laufen, wo wir diese erhalten könnten. Doch dort angekommen erfuhren wir, dass die Malaria-Prophylaxe gar nicht gekauft werden kann, sondern nur kostenfrei beim Gesundheitsministerium erworben werden kann. Somit liefen wir am Montag dorthin, da es sich auch zufällig gegenüber vom einzigen Supermarkt Puertos befand. Dort klopften wir bei der Apotheke, sie besaß nur ein kleines Fensterchen. Das Medikament war jedoch nur auf Rezept erhältlich. Der Farmazeut schickte uns in die angeschlossene Polyklinik, wir sollten Dr. Lazaro finden. Dort angekommen, war sein Büro verschlossen, wir warteten auf der Bank davor. Zufälligerweise kam er wenige Minuten später in Motorad-Montur an – wie die Dinge immer so laufen in Nicaragua. Er verschrieb uns nach kurzer Rückfrage unserer Gründe Chloroquina (Cholorquin) für fünf Wochen (der Maximal-Zeitraum), welches wir anschließend kostenfrei in der Apotheke abholen konnte. Bevor wir es jedoch einnehmen, wollten wir uns jedoch nochmal genau über die Nebenwirkungen und die Risiken informieren. Denn neben Leberschäden führt es zu Netzhauttrübungen, Magen-Darm-Krankheiten und Übelkeit, Kopfschmerzen bis hin zu „psychoneurologischen Störungen“ wie Halluzinationen. Da fragen wir uns doch wirklich, ob es uns das wert ist. Malaria ist zwar eine wirklich gefährliche Krankheit, aber fünf Wochen mit diesen Nebenwirkungen klingt auch nicht nach Zuckerschlecken! Zudem reichen uns die fünf Wochen eigentlich nicht, da wir die kommenden 7 beziehungsweise 8 Wochen noch alle zwei Wochen in die Comunidades fahren. Wir werden uns also zunächst auch erst einmal informieren, ob es aktuelle Malaria-Fälle in Butku und in den anderen Comunidades des Bloque SIPBAA gibt.

Ansonsten haben wir die letzte Woche noch damit verbracht, Rattengift auszulegen. Wir fanden es zufällig im Supermarkt. Es ist wirklich ein Phänomen, dass der Supermarkt bei jedem Einkauf anders aussieht. Entweder weil sie ihn wieder unlogisch umsortiert haben oder weil die eine Ware derzeit nicht erhältlich ist und dafür eine andere Ware kam. Auf der Packung des Rattengifts stand, dass wir es verteilen sollen, damit die Ratte es auch sicher findet und dass wenig Gift die Ratte schon umbringt. Somit legten wir das Gift auf zwei Teller verteilt, insgesamt ganze 20 Gift-Stückchen. Und am nächsten Morgen? Es war alles weg. Daher schlossen wir darauf, dass die Ratte  (oder die Mäuse) „mausetot“ sein müssten. Am Abend legten wir kurz vor dem Schlafen gehen sicherheitshalber nochmals vier Stückchen aus, um auch sicher zu gehen, dass alle Viecher etwas abbekommen haben… und keine zwei Minuten später lief uns eine Ratte quasi über die Füße und aß vor unseren Augen die Stücke weg… also hatten doch nicht alle etwas abbekommen, oder die zwanzig Stück haben nicht gereicht. Wir hofften, dass die Ratte damit wenigstens erledigt war. Doch am kommenden Morgen stand Julia bereits um sechs Uhr auf und tatsächlich lief die Ratte quer durch die Küche – dabei hatte sie sich noch nie Morgens gezeigt. Wir hoffen, dass sie nur am Morgen noch in der Küche war, weil sie zu schwach war um wieder die Wand hoch auf den Dachboden zu klettern. Und am Abend sprach wieder eine Ratte in der Küche rum, die auch wieder im Loch in der Decke verschwand… Also entweder ist gibt eine ganze Armee an Ratten im Dach oder wir haben ein Placebo-Gift. Zumindest werden wir jetzt versuchen so lange jeden Abend Gift auslegen, bis diese ekelhaften Tiere alle gelyncht sind. Sonst bekommen wir dieses Haus nie keimfrei und werden wir wohl nie gänzlich gesund. Unsere Vermieterin Carmen erzählte uns kürzlich erst, dass es hier auch Krankheiten gibt, die über Ratten-Urin übertragen werden… also schleunigst weg mit den Viechern!

Eine weitere Sache die wir diese Woche angegangen sind ist, dass wir erneut das Büro von Masangni aufgesucht haben. Masangni ist die „Mutter-Kooperative“ unserer COOSIPBAA und sie arbeitet eng mit dem WWF und der GIZ zusammen. Sie liegt außerhalb der Stadtgrenze Puertos und dort arbeitet auch Carmen. Masangni besitzt einige wichtige Informationen für uns, die uns die COOSIPBAA aufgrund des verschollenen Schlüssels nicht aushändigen kann, wie beispielsweise den äußerst wichtigen Strategieplan der Kooperative, den wir derzeitig mithilfe von Feldforschung, Workshops und Interviews erneuern sollen. Es wurde uns jedoch auch im Fall Masangni nicht leicht gemacht. Als wir vor zwei Wochen dort waren, waren gerade alle – bis auf das Sekretariat – auf Exkursion in eines der Dörfer. Wir hinterließen unsere Kontakte und eine Liste unser benötigten Unterlagen. Allerdings scheint der Zettel verloren gegangen zu sein, zumindest hörten wir nichts von ihnen. Nachdem wir heute wieder nur den Anrufbeantworter erreichten, fuhren wir erneut mit einem Taxi dorthin. Taxi-fahren ist hier ebenfalls ein Phänomen, denn das Taxi wird immer voll besetzt und es werden die Personen nach Einsteigereihenfolge abgeliefert – auch wenn das manchmal dem logischen Weg widerspricht, allerdings sehen wir so Viertel von Puerto, in die wir sonst niemals fahren würden. So war es auch heute. Wir stellten uns extra an die Straße Richtung Stadtausgang und zu Masangni, um ein Taxi zu erwischen welches auf dem möglichst direkten Weg zu unserem Ziel fährt. Der Taxifahrer lieferte jedoch eine Frau kurz vor Masangi ab und drehte dann um gen Zentrum. Obwohl wir ihm sagten, dass wenig weiter bereits unser Ziel lag, ließ er sich nicht beirren. Zudem war er fest davon überzeugt besser zu wissen wo sich Masangni befand, als wir. Somit fuhr er zu dem Ziel was er meinte – in Zentrum. Nach einigen Erklärungsversuchen und einem riiiiieessen Umweg kamen wir nach etwa 45 Minuten (statt 15 Minuten) bei unserem Ziel an. Bei Masangni erfuhren wir dann, dass quasi die komplette Belegschaft derzeit in Managua bei einem GIZ-Workshop ist. Es ist der letzte Workshop den die GIZ in Nicaragua durchführen wird, da die deutsche Entwicklungspolitik ab November in Nicaragua eingestellt beziehungsweise stark zurueckgefahren wird. Unser äußerst toller Entwicklungsminister Dirk Niebel sieht nämlich in Nicaragua aufgrund der politischen Situation (sozialistisch beziehungsweise links) kein unterstützenswertes Land, obwohl es nach Haiti das ärmste Land Lateinamerikas ist… Zurück zu Masangni. Obwohl unsere Ansprechperson zum Bloque SIPBAA ebenfalls nicht da war, bekamen wir einige digitalen Daten ausgehändigt. Zu unserem Ärgerniss stellten wir Zuhause fest, dass die Formate für uns nicht zu öffnen sind. Toll. Naja, aber wir haben schon einiges an Informationen und können die Workshops für kommende Woche langsam füllen. Meine Aufregung steigt, ich habe vor allem Angst davor, dass mein Spanisch nicht ausreicht oder die lokale Bevölkerung nicht ausreichend spanisch sondern nur mískito spricht.

Zuhause angekommen überraschte uns wieder ein Stromausfall. Schon vergangenen Samstag hatten wir den ganzen Tag keinen Strom, was uns vor große Schwierigkeiten stellt. Denn wir können weder mit Laptops arbeiten, noch haben wir Wasser. Es wird mit einer Pumpe aus dem Brunnen befördert und füllt eine Tonne zum Waschen (wie nennen es liebevoll „eimern“) sowie unsere Bottiche zum Geschirr und Wäsche waschen. Zudem heisst das, dass auch das Internetcafé um die Ecke kein Strom hat und wir somit auch weder recherchieren noch Kontakte nach Hause aufnehmen können. Wir arbeiten dann meist mit unserem Blätterkrieg und lesen viel. Kaum war der Strom an diesem Dienstag wieder da, begann wieder der starke Monsunregen – und wir konnten leider nicht mehr die ganze frische in Schwerstarbeit Hand-gewaschene Wäsche retten. Zudem führte dies wieder zu neuen Stromausfällen und die Umgebung und auch unser Haus stehen innerhalb kürzester Zeit unter Wasser und ein Bach fließt vor unserer Haustür.

Wir versuchen derzeit täglich ein Highlight in unseren Tagesplan einzubauen. Montag war der der Supermarkt-Besucht. Dienstag gönnten wir zwei Vegetarierinnen uns vor lauter Gemüse-Armut sogar Thunfisch in der Tomatensauce. Mittwoch wollen wir eventuell eine deutsch-holländische Fundación besuchen aus Hoffnung, dort Freiwillige kennen zu lernen oder insgesamt mal Kontakte zu knüpfen. Noch beschränken sich unsere „Freundschaften“ hier auf unsere Vermieterin, den Gemüsehändler (der ganz verschossen ist in Julia), die Kassiererin, die Internet-Café-Frauen und der Chef eines Restaurants am Meer, welches unser Highlight am Donnerstag wird (1 Monat überlebt), denn dort gibt es PIZZAA!! Am Freitag haben wir wieder Mískito-Kurs, denn seit zwei Wochen lernen wir die Indigene Sprache. Noch klingen zwar wirklich alle Wörter gleich, doch ein wenig Smalltalk können wir schon halten. Die wirklich amüsanten Wörter sind die vom englischen übernommen, zum Beispiel die Woche (sprecht es schön deutsch oder vielleicht noch spanisch aus): Mundi, Susdi, Winsdi, Tausdi, Fraidi/Praidi, Satadi und Sandi. Ansonsten klingt die Sprache eher so: Naksa, Nahki sma? Ninam diya? Yang nini Cilia. Mani an brisna? Yang twentifive brisna. Anira iwisma? Carmen watla ra. Waitna brisna? Apia, novio wa man, witin nina Tobias. Das heisst übersetzt: Hallo, wie geht’s? Wie heißt du/Sie? Ich heiße Cilia. Wie alt bist du/Sie? Ich bin 25 Jahre alt. Wo wohnst du/Sie? Ich bin/wohne im Haus von Carmen. Hast du einen Mann? (ja die Frage kommt oft) Nein, ich habe einen Freund, er heißt Tobias. Also der Sprachlehrer, ein manchmal verwirrter und leicht schwerhöriger 71-jähriger ehemaliger Hochschullehrer, hat uns versprochen, wir können nach den insgesamt 2 Monaten Sprachkurs quasi fließend Mískito… na da bin ich ja wirklich mal gespannt.

Hier noch ein paar Bilder-Updates:

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Blick vom „Malecon“-Restaurant auf den Strand und den „internationalen Hafen“

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Eine Nebenstrasse in Puerto Cabezas

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Die Wohn- und Geschaeftshaeuser in der Hauptstrasse

 

Es ist der Wurm drin

Wie ich im letzten Beitrag schrieb, fuhr Julia vergangene Woche Dienstag allein nach Butku, um am Mittwoch die Informationsveranstaltung durchzuführen. Kaum war sie weg, fiel erst einmal der Strom für mehrere Stunden aus und ich hatte schon Bammel, nun allein und ohne Strom sein zu müssen. Und am Abend zeigte sich zudem mal wieder die Ratte, sie saß zu meinem Schreck von draußen auf dem Küchenfenster, ich sah nur den langen Schwanz. Zudem nagte sie in der Nacht meinen Beutel an, in dem ein altes und leeres Kekspapier drin war… Ich habe mich sehr darüber geärgert und verstaue jetzt noch mehr meine Kleidung. Zudem habe ich total Schiss davor, dass ich ein Krümmel in meinem Zimmer liegen lasse und sie mich dann nachts im Schlafzimmer besuchen kommt….

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Das Rattenloch

Am nächsten Morgen frühstückte ich alleine – und Julia kam wieder reinspaziert, 24 Stunden zu früh. Zu unser und vor allem zu ihrem Ärgernis hatte die Info-Veranstaltung nicht stattgefunden und sie hatte es erst dort erfahren. Der Präsident der Kooperative hat das Treffen abgesagt, da die Jueces nicht konnten. Die „Richter“ sind die Dorfoberhäupte, mit denen die meisten Entscheidungen gefällt werden und vieles „legitimiert“ wird. Allerdings ist die Kooperative unabhängig von den Gemeinde-Strukturen, daher verstanden wir die Absage nicht wirklich. Wir verstanden allerdings zunehmend die Problematik, dass die Kooperative derzeit nicht gut läuft und dies unter anderem am derzeit amtierenden Präsidenten liegt. Noch vor 2 Jahren gab es einen ständigen Bürobetrieb in Butku – heutzutage ist das Büro abgeschlossen und der Schlüssel derzeit nicht auffindbar. Ein Grund, weswegen wir da sind und eine Strategieplanung sowie einen Kommunikationsplan aufstellen sollen, aber auch ein Grund weswegen wir das alles nicht so recht können, weil uns sämtliche Steine im Weg liegen und wir bis dato noch kein wirkliches Interesse an einer Verbesserung verspüren konnten.

Ich war noch die restliche Woche etwas schlapp und hatte hin und wieder erhöhte Temperatur. Donnerstag begannen wir dann aber allmählich wieder uns den Workshops und dem Projekt zu widmen, denn den kommenden Montag sollte es ja in die Comunidades zu den ersten Workshops gehen.

Freitag fuhren wir in die Stadt, dort fanden am „Tag der Indigenen“ Paraden der Schulen sowie ein indigener Kunstmarkt statt. Wir stellten uns jedoch mehr davon vor als es her gab, dennoch besuchten wir Juan Carlos Mutter Nazaria an ihrem Stand. Sie hatte nach dem Hurrikan Felix eine Frauenkooperative gegründet, die Schmuck aus Samen sowie dem zerstörten Holz und Überbleibseln des Hurrikans herstellt, um den Frauen eine finanzielle Unabhängigkeit zu geben, besonders den Alleinerziehenden.

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Nazaria (r.) auf dem Markt

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der bescheidene Markt im Zentrum von Puerto Cabezas

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Staende im Stadion

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das gefuellte Stadion

 

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eine Schulklasse

 

 

Samstag nutzten wir den Mittag, dem Strand so nah zu kommen wie noch nie. Wir fuhren in das Restaurant „Mallecon“, welches direkt am Strand lag. Der Strand ist leider sehr gefährlich, da in der Regenzeit kaum Polizei und Militärs wache halten und die unübersichtliche Situation dazu genutzt wird, Kokain und andere illegale Güter zu schmuggeln. Teilweise kommt die Ware aus Kolumbien über den Seeweg und wird vor Puerto abgeworfen. Die Langusten-Taucher sammeln die Ware mit ein. Somit tummeln sich am Strand zwielichtige Gestalten und noch hinzu kommen Taschendiebe, da sich einige der ärmsten Stadtviertel direkt am Strand befinden. Obdachlose und Straßenkinder sind ebenfalls hier unterwegs. In größeren Gruppen oder wenn der Strand voll ist, könnten wir uns dort aufhalten. Leider haben wir bis jetzt jedoch noch keine wirklich netten Menschen kennengelernt – die scheint es hier nicht wirklich zu geben – und an diesem Samstag waren nur paar Kinder und zwielichtige Jugendliche dort unterwegs. Also blieb es bei dem Blick auf den Strand mit einer Kola und frittierten Kochbananen.

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Blick auf den Strand

Am Wochenende begann es wieder mehr zu regnen, zudem ging es Julia ab Samstag nicht gut. Sie hatte ähnliche Symptome wie ich zuvor – starke Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und bis zu 39°C Fieber. Wir entschieden uns jedoch gegen das öffentliche Krankenhaus und wollten ausharren bis zum Montag. Sonntag war somit ein wirklich trostloser Tag, es regnete und wir bewegten uns nur zwischen Sofa, Bett und noch Küche hin und her. Mir ging es etwas im Magen um und ich war im allgemeinen müde und frustriert darüber, dass es uns nicht so gut ging und das Projekt noch nicht wirklich lief. Auch wenn mir bewusst war, dass es hier alles nicht ganz einfach wird, entspricht es in keiner Weise meinen Vorstellungen und ich ärgere mich darüber, dass wir bereits 3 Wochen da sind und eigentlich nicht zustande gekommen ist bis dato, obwohl wir schon sehr fleißig waren. Wir hoffen jedoch noch fest daran, dass es nur ein schwerer Start ist und wir bald immun gegen die Bakterien hier sind, keine infizierten Mückenstiche bekommen und das Projekt noch gut anläuft. Sollte das Projekt nicht so gut laufen, suchen wir uns eine andere Arbeit. Beispielsweise würden wir in Nazarias Frauenkooperative mithelfen, sie freut sich sehr über unser Interesse und hat helfende Hände sehr verdient.

Montag morgen wollte Julia dann zum Arzt gehen, leider war Dr. Fausto nicht da. Nachdem sie dann in eine andere halb-öffentliche und mindestens genauso chaotische Klinik geschickt wurde wie das öffentliche Krankenhaus und zudem dort noch ignoriert wurde, rief sie mich an und ich begleitete sie. Wir fanden ein paar Blocks weiter glücklicherweise noch eine andere Privatklinik, auch wenn diese von Dr. Wilfred Cunningham doppelt so teuer war wie die von Dr.Fausto. Doch es war es uns wert. Dort konnte Julia dann die Blut und Urinproben machen lassen. Das Ergebnis dauert nur etwa eine halbe Stunde. Der Arzt teilte ihr dann mit, dass es entweder eine Virusinfektion ist oder wahrscheinlich auch Dengue sein könnte… Wir hatten gehofft, er sei sicher nur eine Virusinfektion. Julia bekam Schmerz- und fiebersenkende Mittel und Elektrolyte-Getränke verschrieben und muss jetzt alle 2 Tage wiederkommen, bis aufgrund der Inkubationszeit ein genaues Ergebnis feststeht beziehungsweise ihre Blutwerte besser sind. Zudem gab der Dr. uns seine Handynummer, damit wir ihn im Notfall auch am Wochenende erreichen können. Am Mittwoch bestätigte sich dann der Verdacht, denn neben dem Fieber kamen nun auch Übelkeit und masern-ähnlicher Ausschlag hinzu: Julia hatte das Dengue-Fieber.

Dengue lässt sich nicht behandeln, beziehungsweise nur die Symptome und es zieht sich rund zwei Wochen hin. Für unsere Altersgruppe ist Dengue meistens ungefährlich, gefährlich wird es nur dann, wenn wir uns ein zweites Mal mit Dengue infizieren würden. Allerdings baut der Körper Antikörper nach einer ersten Infektion auf und dann sind meistens nur noch andere Dengue-Typen möglich, meistens in anderen Teilen der Welt (in den tropischen Region von Afrika und Asien und eben Lateinamerika). Aber nach zwei Wochen Puerto schon Dengue bekommen musste ja nun auch nicht sein, aber bei dem Regen gibt es angeblich gerade auch eine Dengue-Epidemie in Puerto Cabezas. Hoffen wir also, dass ich es nicht auch noch bekomme und wir weitere zwei Wochen in unserer Arbeit gelähmt sind. Also steht jetzt nun erstmal an, das Haus mit Chemie auszuräuchern und somit alle möglichen Dengue-Mücken im Haus zu vernichten. Diese Prozedur sollten wir regelmäßig wiederholen. Leider ist das Haus aus unbehandeltem Holz und auch so gebaut und e3ingerichtet, dass es Mücken hier leicht haben. Daher fühlen wir uns hier nicht so wohl und schauen derzeit auch nach anderen möglichen Unterkünften. Hostels gibt es nicht wirklich und Hotels übersteigen unser Budget… Wir werden sehen. In Butku und den Comunidades gibt es zudem ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, wahrscheinlich werden wir ab unserer nächsten Reise dorthin mit Malaria-Prophylaxe beginnen. Die Nebenwirkungen sind jedoch nicht unbeachtlich, wie starke Kopf- und Gliederschmerzen und Übelkeit, so dass es kein Spaß wird. Aber da uns nun beide Ärzte das empfohlen haben, werden wir das wahrscheinlich versuchen. Nazaria, Juan Carlos Mutter, liegt ebenfalls derzeit wegen hohem Fieber flach, sie liegt hier im öffentlichen Krankenhaus. Der Verdacht fiel zunächst auf Malaria, schlussendlich war es jedoch doch nur eine starke Grippe mit einer Atemwegsinfektion.

Unser Plan ist jetzt, da Julia auch erst einmal ein Reise-Verbot vom Arzt bekommen hat, dass wir kommende Woche beginnen werden die Workshops fertig vorzubereiten. Die verlorenen Termine können nicht nachgeholt werden, so dass wir die Themen in die nächsten Workshops integrieren müssen.

Zudem haben wir nun eine Mail an das ASA-Programm formuliert, da sich Juan Carlos dort auch schon gemeldet hat und die nicht optimale Situation von uns geschildert hat. Wir werden uns zumindest darüber informieren, welche Konsequenzen es hätte aus gesundheitlichen Gründen abzubrechen und wie die allgemeine Zusammenarbeit mit der Region beziehungsweise der Kooperative aussehen wird. Denn derzeit stehen auch die Projektanträge für 2014 an und da sollten wir erste Rückmeldungen über die Situation hier geben. Unsere Empfehlung beziehungsweise Kritik ist, dass eine Projektdurchführung in dieser Region nur in der regenfreien Zeit ratsam ist und zudem nur mit der Kooperative der Mutter, weniger aber mit der COOSIPBAA. Ich werde berichten, welche Rückmeldung wir bekommen.