Unser ASA-Projekt

Ich bin euch noch schuldig zu berichten, was genau wir hier eigentlich treiben. Julia und ich sind mit dem ASA-Programm hier, einem entwicklungspolitischen Bildungsprogramm, welches vormals der GIZ und nun der Engagement Global unterstellt ist und durch das BMZ finanziert ist. Es ist eine Organisation, die vor allem durch ihr Netzwerk an engagierten Menschen lebt und sehr kritisch gegenüber der „klassischen“ Entwicklungspolitik eingestellt ist, weshalb wir uns auf unseren zwei Lateinamerika-Vorbereitungsseminaren fast ausschließlich mit uns und unserer Rolle im Ausland und im allgemeinen mit (Post-)Kolonialismus, Rassismus und Gender auseinandergesetzt haben. Wir hatten wirklich kritische Workshops und beispielsweise gab ASA auch Menschen vom Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz in Berlin den Raum zu sprechen. Außerdem hatten wir Referierende zum Thema Critical Whiteness und auch Raum um selbst Themen anzubieten. Auch viele Teilnehmende des Seminars haben sich bereits in der Flüchtlingspolitik, der Rassismus-Arbeit oder zu Sexismus-Themen engagiert oder hatten umfangreiche Erfahrungen aus Lateinamerika oder dem Ausland, so dass es zwei wirklich intensive Wochen für mich und uns alle waren.

Julia und ich haben unser Stipendium für das Projekt „Ressourcenschutz und ländliche Entwicklung – strategische Unterstützung der Kooperative COOSIPBAA“ in Nicaragua erhalten. Die Kooperative (Genossenschaft) des Bloque SIPBAA wurde 2005 gegründet, um die Abholzung des Regenwaldes auf dem kommunalen Land der sechs Dörfer zu koordinieren und zu kontrollieren, aber auch zu kommerzialisieren. Zudem ist sie für die Wiederaufforstung des Waldes zuständig. Das Land in RAAN beruht auf den Indigenen Rechten, die den Gemeinden kommunales Landrecht zusprechen. Indigenität wird im internationalen Kontext meist als „Kommunal“ beziehungsweise „gemeinsamer Besitz“ definiert. Die Mískito hingegen denken eher in Familien-Maßstäben, sind jedoch auch an die Indigenen Rechte gebunden. Seit den letzten 60 Jahren leben die Mískitos überwiegend von der Mahagoni-Abholzung, zuvor lebten sie von der Fischerei in den Flüssen der Regenwaldgebietes und der angrenzenden Pinienwälder und von Substistenzwirtschaft.

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Der Bloque SIPBAA im Pinienwald und vereinzelten Palmen

RAAN, die nördliche indigene autonome Region Nicaraguas, die ärmste Region des Landes, wurde 2008 schwer vom Hurrikan Felix getroffen. Er zerstörte weite Teile des Regenwaldes, zerstörte den Großteil der Bambus-Häuser der Mískito sowie die Fruchtbäume der Region. Seitdem hat die Region noch größerer Schwierigkeiten damit, ihre Bevölkerung mit Lebensmittel zu versorgen und ist auf den Export von der Pazifikküste angewiesen. Zudem ist die Region seitdem mehr als je zuvor abhängig von internationalen Entwicklungsorganisationen, die auch in einer großen Anzahl vertreten sind. Die Bevölkerung ist bereits darauf eingestellt und beantworteten allen – auch uns als „Forschenden“ – die Fragen meistens im Hinblick darauf, dass für sie etwas dabei herausspringt. Beispielsweise gab es in den vergangenen Jahren ein Projekt der Nationalregierung, welches Kühe an die lokale Bevölkerung verteilte. In den Dörfern sind viele Kühe zu sehen, sie laufen frei herum. Wenn wir die Bevölkerung jedoch fragen würden, ob ihnen die Kühe gehören, würden sie es verneinen, um noch mehr Kühe bekommen zu können. Dies ist wirklich nicht böswillig gemeint, sondern geht zum einen auf die extreme Armut zurückzuführen und zum anderen auf den Einfluss der vielen Projekte in der Region.

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Internationale Organisationen

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Internationale Organisationen

Die Kooperative COOSIPBAA läuft jedoch in den vergangenen Jahren nicht mehr gut. Es fehlt an Transparenz in der Arbeit, die durch fehlende Buchhaltung noch verstärkt wird. Die bei der Abholzung gezahlten Steuern sollen in Gemeindeprojekte investiert werden, jedoch findet auch darüber keine Kontrolle und keine Transparenz für die Gemeindemitglieder statt. Zudem finden illegale Regenwaldrodung statt, die zu Neid und Konflikten in den Comunidades führen. Das hat zur Folge, dass die Kooperative an Ansehen und an Vertrauen verloren hat. Hinzu kommt, dass die Kooperative de facto zahlungsunfähig ist.

In den Vergangenen Jahren kam noch ein weiteres Problem hinzu, die „Colonos“. Diese Menschen, die keine Mískitos sind, ziehen in die Berge im Regenwald und auf die kommunalen Flächen der Gemeinden beziehungsweise ihrer agroforstwirtschaftlichen Kooperativen und roden ohne Kontrolle und ohne dafür Steuern zu zahlen, zudem sorgen sie sich um keinerlei Wiederaufforstung. Dies führte in der Vergangenheit zu starken Auseinandersetzungen bis hin zu bewaffneten Konflikten zwischen den Colonos und den Comunidades.

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Blick auf den Regenwald und die Berge in denen die Colonos leben

Im vergangenen Jahr war eine deutsche Praktikantin über die GIZ im Bloque SIPBAA beziehunsgweise bei Masangni und hat eine erste Analyse über die Situation der Kooperative erstellt. Sie stellt die Grundlage unserer Arbeit und auch der ASA-Programmteilnahme dar.

Im Zuge unseres Projektpraktikums sollen wir eine eine Grundlage für eine neue Strategieplanung sowie eine Kommunikationsstrategie der COOSIPBAA erarbeiten. Das Wissen dafür erhalten wir durch Feldforschung, Interviews und Workshops mit Fokusgruppen, die vor allem der Vorstand der Kooperative sowie Mitglieder aus den Gemeinden Butku und Panua darstellen. Zusammen mit unserem Ansprechpartner Juan Carlos, der sich stark für eine Neuausrichtung der Kooperative einsetzt und derzeit in Mexico studiert, haben wir folgende Kernthemen für die Workshops erarbeitet: Als ersten werden wir über eine Diversifizierung von Produkten sprechen, also Alternativen zu Holz erörtern, da der Hurrikan Felix weite Bestände des Waldes zerstört hat und wir nach „zukunftsfähigeren“ beziehungsweise vor allem nachhaltigeren Rohstoffen finden wollen, die ausreichend Einkommen für die Familien sichern. Denn der Hafen in Puerto lässt kaum den Export von Holz ins internationale Ausland zu und ist zusätzlich noch sehr schlecht bezahlt. Bis vor kurzem besaß die Kooperative das FSC-Siegel, dieses schufen sie jedoch ab, da es sie zu sehr eingeschränkt hat und sie somit noch weniger Geld mit dem Holz verdienen konnten.

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degradierter Pinienwald in Butku

Das zweite Thema in den Workshops wird eine „Acta de Reglas“, also Verhaltens-Richtlinien sein. Gemeinsam mit den Mitgliedern und dem Vorstand werden wir Regeln und Sanktionen formulieren, an die sich die verschiedenen Akteur_Innen halten sollen, um wieder eine Transparenz und ein Vertrauen aufzubauen. Des Weiteren werden wir über regionale, nationale und internationale Strategische Partner sprechen, die die Kooperative in ihren Aktivitäten unterstützen können. In einem weiteren Workshop nähern wir uns einer Kommunikationsstrategie zwischen den verschiedenen Akteur_Innen an, wir werden also über mögliche Informationskanäle nach innen und nach außen sprechen. Das heißt wir beschäftigen uns mit Öffentlichkeitsarbeit, aber auch mit Bekanntmachungen und mit Möglichkeiten des gegenseitigen Feedbacks. In der dritten Workshop-Woche werden wir über die Mitglieder-Gewinnung und Bedingungen sprechen und den Aufbau bzw. die Infrastruktur der Kooperative erörtern und wenn möglich optimieren. Momentan liegen viele Entscheidungen und auch Privilegien bei wenigen Personen, was zu Neid und auch manchmal Unverständnis innerhalb der Kooperative aber auch in Beziehung zu den Comunidades führt. Durch die fehlende Buchhaltung kommt es so auch zur Veruntreuung von Geld und zu Korruption. Im letzten inhaltlichen Workshop werden wir über die Gebietsverteidigung gegenüber den Colonos und über Erfahrungen und mögliche (rechtliche) Maßnahmen sprechen. Und zu guter Letzt werden wir Auswertungs-Workshops sowie eine Abschlusspräsentation unserer Ergebnisse veranstalten.

Wie ihr seht, arbeiten wir uns gerade neben der Methodik in diverse Thematiken ein, die uns sehr fordern und in die wir auch manchmal nicht ganz einblicken können. Außerdem ist der Zugang zum Internet begrenzt und dort ist nicht viel zu finden, das Büro der Kooperative ist verschlossen und Masangni hat uns auch noch nicht großartig weitergeholfen, so dass wir noch einige Hürden überwinden müssen. Noch haben die Workshops nicht begonnen und unsere Aufregung steigt, besonders da wir diese in spanisch abhalten müssen und besonders mein spanisch noch nicht sehr gut ist. Außerdem sprechen viele der Teilnehmenden kein oder kaum spanisch, sondern nur mískito oder können nicht schreiben, so dass wir uns einiges an Moderation und Methodiken ausdenken müssen, um auch mit zufriedenstellenden Ergebnissen aus den Workshops raus gehen zu können.

 

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