Freitag Abend hatte ich sehr starke Kopfschmerzen und die Nacht auf Samstag wachte ich immer wieder schweißgebadet und mit stechendem und pochendem Kopf auf. Ich nahm Ibuprofen und maß sicherheitshalber meine Temperatur, sie lag meisten mit 37,4 etwas erhöht. Am Samstag Mittag wollten wir gemeinsam mit Carmen in den einzigen Supermarkt Bilwis gehen, denn Samstags kommt immer frische Ware. Der Hurrikan Felix zerstörte 2006 die wenigen bestehenden Fruchtbäume der Karibik, so dass hier nur noch Tomaten, Bohnen, Reis, Kochbananen, Zwiebeln, Gurken, Yucca und hin und wieder Mangos oder anderes Gemüse zu kaufen ist. Somit muss alles vom Pazifik importiert werden, die schlechte Straße ermöglicht das nur einmal die Woche. Zusätzlich ist das Angebot aufgrund des sozialistischen Systems begrenzt und es werden quasi nur mittelamerikanische Waren hier vertrieben. Es gab somit ein großes Gerangel im Supermarkt um das frische Gemüse , wie rote Beete und das wenige Obst wie Melone, Mango oder Maracuya. Am Montag war der Supermarkt schon wieder fast leer von frischen Obst oder Gemüse, wie früher in der DDR 😉 Es gab wieder quasi nur Bohnen und Reis zu kaufen, und wir können diese typische Essen es jetzt schon nicht mehr sehen. Wir ernähren uns beide vegetarisch, da ist die Auswahl noch kleiner. Zudem hängt das Kuh- und Schweinefleisch auch bei 35 Grad noch ungekuehlt in der Sonne und verbreitet einen sehr unangenehmen Geruch. Die gestern überall in der Stadt kaufbaren Riesenschildkröten wollen wir schon gar nicht essen, vielleicht bekomme ich mal eine fotografiert.
Der Einkauf schaffte mich sehr, meine Kopfschmerzen waren ungehörig und inzwischen kamen Gliederschmerzen hinzu und ich stand richtig neben mir. Zuhause fiel ich erst einmal ins Bett. Ich hatte den Tag nichts gegen die Schmerzen genommen und ich maß gegen halb 10h Abends nochmal meine Temperatur: 39, 6. Ich geriet ziemlich in Panik, immerhin waren starke Kopfschmerzen, Fieber und Gliederschmerzen sowohl von Malaria als auch vom Denguefieber die Hauptsymptome und da ich zuvor die Tage Ibuprofen genommen hatte, welche auch Fieber senkend wirkte, machten wir uns große Sorgen. Leider ist die Gesundheitsversorgung in Puerto Cabezas eher mangelhaft. Am Wochenende hat nur das öffentliche Krankenhaus offen. Wir entschieden uns trotz der Uhrzeit noch mit dem Taxi ins Krankenhaus zu fahren, normalerweise verlassen wir das Haus nicht mehr in der Dunkelheit. Das Krankenhaus liegt zudem in einem nicht ungefährlichen Stadtviertel, dort liefen dann auch nachts wirklich viele gruselige Gestalten herum. Alle Behandlungen im sozialistischen Krankenhaus sind gratis, dementsprechend waren dort vor allem die unteren Einkommensgruppen anzutreffen. Der junge und ziemlich unangenehme Dr. Enrique nahm mich auf, ich musste mich im Vorraum freimachen zum Fiebermessen unterm Arm. Er guckte mich nur total abgeklärt, arrogant und leicht kopfschüttelnd an, als er meine Temperatur feststelle und schickte mich ins Labor zum Blutmessen. Sein Verhalten beruhigte mich nicht gerade. Das Labor befand sich auf der anderen Seite des dreckigen Innenhofs, auf dem Weg dorthin kreuzte sich unser Weg mit dem eines Straßenhundes. Es waren Frauenschreie von Geburten und Babyweinen zu hören. Im Labor wurde mir Blut abgenommen. Der Laborant nahm einen Latexhandschuh, aber nicht um ihn anzuziehen, sondern um mir damit meinen Arm abzuschnüren. Die Spritze rammte er mir sehr unsanft in die Sehne, mein Arm ist 3 Tage später noch tiefblau. Anschließend durfte ich mir in der Apotheke kostenfrei Schmerz- bzw fiebersenkende Mittel (Paracetamol) abholen. Dann hieß es eineinhalb Stunden auf das Ergebnis des Malariatest zu warten. Um die Tabletten runterzuspülen mussten wir das Krankenhausgelände verlassen und an einer Tienda Wasser kaufen. Dort stank es unglaublich nach Urin und ein dicker, nur halbbekleideter Mann konnte sein Macho-Gehabe auch um diese Urzeit und bei deutlich fertig-aussehenden Europäerinnen nicht lassen. Eine verwirrte Frau wuselte um uns herum, von diesen Personen gibt es in Puerto Cabezas viele, da es ein Umschlagplatz für Kokain aus Kolumbien ist, vor allem in der unübersichtlichen Regenzeit und mit Hilfe der Langustentaucher. Angeblich hat sich diese Situation in den vergangen zwei Jahren etwas verbessert.
Die Paracetamol wirkte zum Glück recht schnell. Neben der Warte-Bank im Innenhof befand sich ein Frauenschlafsaal, es lagen 8 oder mehr Frauen darin, die abwechselnd vor Schmerzen stöhnten. Ich wollte auf die Toilette gehen, allerdings war diese von Wasser überschwemmt, hatte kein Licht, kein fließend Wasser und keine Tür. Ich überraschte eine Frau am Tropf darin. Ich überlegte es mir anders und verkniff es mir. Kurz nach 12 konnte ich dann mein Ergebnis im Labor abholen, der Laborant hatte es zusammengefaltet und übergab es mir mit einer Entschuldigung. Mein Herz sank noch viel tiefer in die Hose, ich war klitschnass vor Aufregung (und Fieber). Im Hauptgebäude drückte ich das Resultat einem nicht so arroganten Arzt wie Dr. Enrique in die Hand, er behandelte mich nicht so abfällig. Zu unserer Erleichterung fiel der Malaria-Test negativ aus, die Blutwerte sprachen jedoch auch nicht für Dengue. Um ein Ursache für mein Fieber und die Schmerzen herauszufinden, sollte ich noch eine Urinprobe abgeben, die ich am nächsten Morgen abholen sollte. Es war allerdings kein Becher mehr da, so drückte mir der Arzt ein Röhrchen in die Hand. Das war wirklich der Höhepunkt dieses gruseligen Krankenhaus-Aufenthaltes! Im Dunkeln, mit wackeligen Beinen, fiebrig, auf einem Klo ohne Klobrille, im Wasser stehend in ein Röhrchen mit etwa 1cm Durchmesser pinkeln… Aber nach dem negativen Bluttest, wenn auch noch ohne eine Erklärung für mein Fieber, konnten wir herzlich darüber lachen. Kurz nach 1 waren wir Zuhause und gegen 2 Uhr im Bett. Aber auch die kommende Nacht war nicht wirklich erholsam und mich quälten Fieberträume und ich wachte häufig schweißgebadet auf.
Am kommenden Morgen standen wir vollkommen gerädert auf und fuhren wieder ins Krankenhaus, dieses war nun am Tag proppenvoll. Wir gingen schnurstracks ins Labor und holten meinen Test ab. Das Hauptgebäude war voll von Notfällen, ich musste durch einen offenen Behandlungsraum, in dem einem etwa fünfjährigen gerade bei vollen Bewusstsein und scheinbar ohne Betäubung der halbe Fuß amputiert wurde. Er schrie so grausam, es fuhr mir richtig durch Mark und Bein. Nach etwa zehn Minuten schaute sich endlich ein sehr junger Arzt mein Resultat an – es konnte nicht gefunden werden, weshalb er Malaria und Dengue wieder mit als mögliche Krankheiten einschloss, denn beide haben Inkubationszeiten von 6 bis 10 Tagen. Ich musste mich in die Mitte des Raumes auf eine Liege setzen zum erneuten Fiebermessen. Neben mir lagen ein unansprechbarer älterer Mann und eine angeschwollene Frau (wahrscheinlich ein Skorpion-Biss). Der junge Arzt wusste nicht so recht weiter und riet mir, ein paar Tage abzuwarten, ob zum Beispiel Symptome wie Übelkeit, Bauchschmerzen oder Blut aus dem Mund und der Nase hinzukommen oder das Fieber weiter ansteigt. Während des Gespräch verliess er uns mehrfach wegen Notfällen, das Kind 5 Meter weiter schrie immernoch. Kurz bevor wir gehen wollten, verlor der Arzt noch mein Blutergebnis, zum Glück hatte das Labor noch eine Mitschrift. Auch wenn ich sehr beunruhigt war kein Ergebnis zu haben, waren wir doch sehr froh dieses Krankenhaus endlich wieder verlassen zu dürfen. In der Nacht hatte ich leider keine Kamera dabei, doch am Morgen habe etwas ich mit der Digicam fotografiert.

… der stand im Gang, ich hoffe ausrangiert

Die Toilette (bei Tageslicht)
Den Sonntag ging es mir nicht so gut, ich war sehr beunruhigt und die Telefonate nach Deutschland verunsicherten mich nur noch mehr. Die Nacht auf Montag war wieder wenig erholsam. Das Fieber, die Mäuse und Ratten und dann ging es nun auch Julia schlecht, sie musste sich mehrfach übergeben in der Nacht. So gingen wir am Montag Morgen gemeinsam in die Privatklinik Sika Kakayra, Carmen hatte sie uns empfohlen. Dort kostete das Beratungsgespräch sowie jeder einzelne Test und die Medikamente Geld, aber es war es mir absolut wert. Die Klinik war eigentlich mehr eine Praxis, mit einem Arzt, einer eigenen Pharmazie und einem Labor. Dr. Fausto war sehr nett, er freute sich über uns Europäerinnen, er war selbst mit Hilfe der sozialistischen Beziehungen in der UDSSR gewesen. Der Pharmazeut sprach uns mit ein paar Brocken Deutsch an, er war bis 1989 in der DDR und erlebte sogar den Mauerfall mit. Dr. Fausto tastete unsere Bäuche ab und erklärte uns genau wie das Fieber bei Malaria oder bei Dengue aussieht und welche Organe geschwollen sind. Allein nach meiner Beschreibung konnte er beides ausschließen. Malaria führt zu viel höherem Fieber, das auch ausschließlich nachts auftritt. Zudem wird es von Schüttelfrost begleitet, die Leber ist geschwollen und schmerzt und die Person ist teilweise nicht mehr ansprechbar. Das Denguefieber tritt ebenfalls erst ab rund 16 Uhr auf. Wir Europäerinnen würden zudem viel stärker auf Dengue reagieren als die lokale Bevölkerung, da wir keinerlei Abwehrmechanismen dagegen haben. Beide Fieberformen würden wir nicht durch Paracetamol oder Ibuprofen senken können. Das Blutergebnis ergab, das Julia eine bakterielle Infektion hatte, sie bekam Antibiotikum verschrieben. Ihr ging es einen Tag später wieder fast gut. Ich habe eine Virusinfektion, dagegen kann ich nichts machen außer Blut-verbesserndes Serum zu trinken und Vitamine zu schlucken. Zudem wurde mir verordnet ganz viel zu trinken. Ich bekam eine andere Form von Paracetamol verschrieben und darf nun abwarten bis mein Immunsystem wieder ausreichend gestärkt ist gegen die Viren. Den Montag ging es mir dann nach der vielen Flüssigkeit wieder relativ gut, in der Nacht und am Dienstag jedoch wieder schlechter. Ein Test meiner Thrombozyten am Dienstag ergab, dass meine Werte schon wieder etwas besser sind, aber ich mich noch eine Weile auskurieren sollte. Somit fuhr Julia Dienstag alleine in die Comunidades und ich bin alleine im Haus geblieben. Naja alleine… ich habe ja die ganzen Insekten und Mäuse und Ratten :/